Wollnashorn, Mammut und andere Eiszeittiere könnten ihre entscheidenden Kälteanpassungen auf den kalten Hochebenen Tibets erworben haben – lange vor Beginn der letzten Eiszeit. Ein Indiz dafür hat jetzt ein internationales Forscherteam bei Ausgrabungen im tibetanischen Distrikt Ngari entdeckt. Sie stießen auf das Fossil des bisher ältesten bekannten Wollnashorns. Dieses Wollnashorn sei 3,7 Millionen Jahre alt und der primitivste Vertreter seiner Art, berichten Forscher im Fachmagazin „Science“.
Das Wollnashorn sei damit deutlich vor Beginn der letzten Eiszeit entstanden, zeige aber bereits Anpassungen an kaltes Klima. „Als die Eiszeit dann vor etwa 2,8 Millionen Jahren begann, stieg das tibetanische Wollnashorn aus den Bergen herunter und breitete sich auch in den niedriger gelegenen Regionen im Norden Europas aus“, schreiben die Wissenschaftler. Dort habe es sich zu einem der erfolgreichsten Pflanzenfresser der Eiszeit entwickelt.
„Die kalten Winter in der tibetanischen Hochebene dienten als Eingewöhnung für die Pflanzenfresser, sie passten sich dort an kaltes Klima an“, sagen die Forscher. Auf ähnliche Weise könnten auch andere Eiszeittiere wie Bisons, Yaks oder Bighorn-Schafe von Vorfahren im Himalaja abstammen. In den Ausgrabungen förderten die Wissenschaftler auch andere große, kälteangepasste Tier zutage, darunter Schneeleoparden, Schafe und tibetanische Antilopen.
Dickes Haarkleid, stämmiger Körper
Wollnashörner gelten als typische Beispiele für Tiere, die besonders gut an die harschen Bedingungen der Eiszeit angepasst waren: Ihr dichtes Fell aus langen Wollhaaren schützte sie vor der Kälte, ihr großer Körper ließ nur wenig Wärme über die Oberfläche entweichen. Mit ihrem kräftigen Schädel und den Hörnern besaßen sie Strukturen, mit denen sie Schnee von Gras und anderen Pflanzen wegfegen konnten.
Bisher habe vermutet, dass diese Kälteanpassungen erst als Reaktion auf das Vorrücken der Gletscher bei Beginn der Eiszeit entstanden seien, sagen die Forscher. Doch das in Tibet entdeckte fossile Wollnashorn belege, dass zumindest einige der großen Pflanzenfresser der Eiszeit diese Anpassungen bereits viel früher besessen haben. „Dieser Fund klärt den Ursprung des Wollnashorns – und vielleicht von vielen der heute ausgestorbenen, kälteangepassten Megafauna des Pleistozän“, kommentiert Richard Lane von der National Science Foundation den Fund.
„Kalte Orte, wie Tibet, die Arktis oder Antarktis, sind die Regionen der Erde, in denen in der Zukunft die meisten unerwarteten Entdeckungen gemacht werden – sie sind die letzten Grenzen des Unerforschten“, sagt Xiaoming Wang vom Natural History Museum in Los Angeles. (Science, 2011)
(Natural History Museum of Los Angeles County, 05.09.2011 – NPO)