Rapider Schwund: Die Gletscher des Himalaya haben seit 1975 gut ein Viertel ihres Eises verloren. Der jährliche Eisschwund auf dem „Dach der Welt“ hat sich inzwischen verdoppelt, wie nun eine Studie enthüllt. Demnach schmelzen im Himalaya jedes Jahr rund acht Milliarden Tonnen Eis – das Schmelzwasser würde jeweils drei Millionen olympische Schwimmbecken füllen. Ursache für den beschleunigten Eisverlust ist primär die Klimaerwärmung, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
Der Himalaya ist nicht nur das höchste Gebirge der Erde, sondern auch ein wichtiger Eis- und Trinkwasserspeicher unseres Planeten. Die Gletscher dieses Gebirges und die von ihnen gespeisten Flüsse versorgen fast eine Milliarde Menschen mit Wasser. Doch auch auf dem „Dach der Welt“ tauen die Gletscher. Erst vor Kurzem ermittelten Klimaforscher, dass der Himalaya bei ungebremster Erwärmung zwei Drittel seines Eises verlieren könnte.
Hilfe von Spionagesatelliten
Doch wie weit ist der Eisschwund im Himalaya schon fortgeschritten? Und wie rapide verläuft die Gletscherschmelze? Bisher gab es dazu nur punktuelle Angaben für bestimmte Gebirgsbereiche und relativ kurze Zeiträume – es fehlte schlicht an Daten. Jetzt jedoch hat sich für die Klimaforscher eine ganz neue Datenquelle eröffnet: die inzwischen deklassifizierten Aufnahmen von US-Spionagesatelliten aus der Ära des Kalten Krieges.
Auf Basis dieser Satellitendaten konnten nun Joshua Maurer von der Columbia University in New York und seine Kollegen erstmals die Entwicklung von 650 Gletschern im gesamten Himalayagebiet von 1975 bis heute nachvollziehen. Für ihre Studie erstellten sie aus den Satellitenaufnahmen digitale 3D-Modelle, anhand derer sie die Veränderung der Eisdicke und Gletscherausdehnung in der Zeit bis 2000 und danach ermittelten und verglichen.
Ein Viertel des Eises ist schon weg
Das Ergebnis: „Die Gletscher des Himalaya haben in den letzten 40 Jahren erheblich an Eis verloren“, berichten die Forscher. Die Schmelzrate hat sich gegenüber dem Zeitraum 1975 bis 2000 inzwischen verdoppelt. Lag der jährliche Eisverlust 1975 bis 2000 noch bei rund 25 Metern pro Jahr, verliert das Dach der Welt heute schon rund 50 Meter Eis pro Jahr, wie die Berechnungen ergaben. Umgerechnet werden dadurch jährlich acht Milliarden Tonnen Gletschereis zu Schmelzwasser – genug, um 3,2 Millionen olympische Schwimmbecken zu füllen.
Insgesamt hat der Himalaya schon gut ein Viertel seines gesamten Eises verloren: „Die von uns beobachteten jährlichen Massenverluste deuten darauf hin, dass von der 1975 vorhandenen Eismasse im Jahr 2000 nur noch 87 Prozent und im Jahr 2016 nur noch 72 Prozent übrig waren“, berichten Maurer und seine Kollegen. Von diesem Eisschwund betroffen sind nahezu alle Bereiche des Himalaya, am schnellsten tauen jedoch die Gletscher in den tieferliegenden Bergregionen.
Der Eisverlust auf dem Dach der Welt schreitet damit zwar etwas langsamer fort als in den Alpen, der Trend aber ist der gleiche, wie die Forscher betonen.
Haupttreiber ist die Erwärmung
Die neuen Daten liefern auch Hinweise auf die Triebkräfte dieses Eisschwunds. Denn einige Studien legten bisher nahe, dass dafür im Himalaya Faktoren wie der Monsun und die Rußablagerung auf den Gletschern eine besonders große Rolle spielen – möglicherweise sogar eine stärkere als der Klimawandel. Ob das stimmt, haben Maurer und sein Team untersucht, indem sie die Schmelzraten von berußten und unberußten Gletschern, sowie den Einfluss von Niederschlägen analysierten.
Es zeigte sich: Alle Gletscherarten – ob rußbedeckt oder sauber, ob vom Monsun beeinflusst oder nicht – zeigen den gleichen Trend zum beschleunigten Eisverlust, wie die Forscher berichten. Dieser Trend lässt sich zudem im gesamten, rund 2.000 Kilometer langen Untersuchungsgebiet feststellen. Doch der einzige Faktor, der überall wirksam sei, sei der Temperaturanstieg von im Schnitt einem Grad gegenüber der Zeit von 1975 bis 2000, konstatieren Maurer und sein Team.
Nach Ansicht der Forscher sprechen diese Ergebnisse dafür, dass der Klimawandel auch im Himalaya die treibende Kraft des Eisschwunds ist. „Die Daten sehen genauso so aus, wie wir es für einen klimabedingten Eisverlust erwarten würden“, sagt Maurer. (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aav7266)
Quelle: Earth Institute at Columbia University