Laues Lüftchen am kältesten Ort der Erde: Die Antarktis erlebt zurzeit eine ungewöhnliche Hitzewelle. Selbst in der eisigen Ostantarktis liegen die Temperaturen seit Mitte Juli 2024 bis zu 28 Grad über dem winterlichen Durchschnitt, wie Messungen zeigen. Statt der für den antarktischen Südwinter normalen minus 50 bis minus 60 Grad herrschen an vielen Stellen nur milde minus 15 bis 20 Grad. Bedenklich auch: Es ist schon die zweite antarktische Hitzewelle innerhalb von zwei Jahren.
Die Antarktis ist die kälteste Region unseres Planeten – eigentlich. Besonders auf dem antarktischen Plateau rund um den Südpol und in der Ostantarktis, sinken die Temperaturen in Winternächten bis auf minus 92 Grad Celsius – ein irdischer Rekord. Die trockene Kälte verbunden mit den oft starken Winden lässt sogar Schneeflocken in der Luft verschwinden – sie sublimieren.
Viel zu warm für diese Jahreszeit
Doch seit Anfang Juli 2024 erlebt die Ostantarktis eine ungewöhnliche Hitzewelle. Statt der normalerweise um diese Zeit herrschenden minus 50 bis minus 60 Grad liegen die Temperaturen zurzeit im Schnitt zehn Grad höher, wie Messdaten des Copernicus Climate Change Service (C3S) zeigen. An einigen Stellen der Ostantarktis war es zeitweise sogar bis zu 28 Grad wärmer als aufgrund des langjährigen Durchschnitts von 1991 bis 2020 erwartet.
Damit verbunden nähert sich auch das Meereis rund um die Antarktis erneut einem winterlichen Tiefstand: „Die antarktische Meereisfläche ist schon wieder fast so gering wie letztes Jahr um diese Zeit!, berichtet der Copernicus Climate Change Service. Im September 2023 – zur Zeit des Wintermaximums – hatte das Meereis nur eine Ausdehnung von rund 17,16 Millionen Quadratkilometern – der niedrigste Stand seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen.
Gestörter Polarwirbel
Als Hauptursache dieser antarktischen Hitzeperiode sehen Klimaforscher eine anomal starke Abschwächung des polaren Vortex – einer ringförmigen Luftströmung, die die kalte Luft über der Antarktis von den wärmeren Luftmassen der umgebenden Meere abschirmt. Dieser Vortex spielt nicht nur eine wichtige Rolle für das Klima der Antarktis, er beeinflusst auch das Ausmaß des Ozonlochs über dem Südpol: Ist er stark ausgeprägt, fördert die Kälte den Ozonabbau in der Stratosphäre.
Doch seit Mitte Juli 2024 hat sich dieser antarktische Strömungswirbel so stark abgeschwächt, dass nun warme Luftmassen aus dem südlichen indischen Ozean über das antarktische Plateau strömen können, wie die Geophysikerin Amy Butler von der US-National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) gegenüber CN erklärte. Auch jetzt noch, Anfang August, hält diese Störung des südpolaren Vortex an – ein Ende der antarktischen Hitzewelle ist daher noch nicht abzusehen.
Schon die zweite Hitzewelle seit 2022
Die aktuelle Hitzewelle in der Antarktis ist schon die zweite innerhalb von zwei Jahren: Bereits im März 2022 erreichten die Temperaturen über einigen Teilen der Antarktis neue Rekordwerte – sie lagen bis zu 39 Grad über den für diese Zeit normalen Mittelwerten. Zwar war der antarktische Winter 2023 zeitweise kälter als im Durchschnitt, dennoch reichte dies nicht aus, um die Defizite vor allem beim Meereis auszugleichen.
Der US-Klimaforscher Jonathan Overpeck von der University of Michigan darin eine Folge des Klimawandels und einen unguten Trend. Auf X kommentiert er einen Artikel der Washington Post über die antarktische Hitzewelle so:
Eye-opening sign that climate change is starting to really transform the planet… https://t.co/hlBPEGw3lE
— Jonathan Overpeck (@GreatLakesPeck) August 1, 2024
Quelle: Copernicus Climate Change Service (C3S), CNN, Climate Change Institute University of Maine