Fast 40 Jahre nach einer historischen Expedition in das äthiopische Turkanabecken haben Forscher jetzt Hinweise darauf entdeckt, dass die damals gefundenen Hominidenknochen weitaus älter sind als zuvor angenommen. Mit einem Alter von 195.000 Jahren könnten die Fossilien zudem die „Out-of-Africa“-Hypothese weiter untermauern, nach der afrikanische Frühmenschen noch bis vor rund 50.000 Jahren aus Afrika in andere Erdteile einwanderten und die dort existierenden Menschenspezies verdrängten.
Ian McDougall von der Australischen Nationaluniversität (ANU), Frank Brown von der Universität von Utah und John Fleagle von der Stony Brook Universität berichten in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature, dass nach ihren Messungen die Überreste des frühen Homo sapiens nahezu 40.000 Jahre älter sind als die Schädel von Herto in Äthiopien, den bisherigen Rekordhaltern aus dieser Region. Damit
Gefunden und vergessen
Als Richard Leakey und andere kenianische, amerikanische und französische Wissenschaftlerteams 1967 zum ersten Mal in der Turkanaregion nach Überresten von Vormenschen suchten, entdeckten sie auch die fossilen Knochen von frühen modernen Menschen. Nach ihrer Fundstelle am Omo-Fluss wurden sie Omo I und Omo II benannt.
Doch da das Interesse damals vorwiegend den weitaus älteren Vormenschenarten galt, wurden diese Knochen zwar katalogisiert, aber nicht ausführlich untersucht. Seither allerdings hat sich dies geändert: Seit den 1980er Jahren herrscht zwar weitgehend Einigkeit darüber, dass unsere unmittelbaren Vorfahren vom afrikanischen Kontinent stammen müssen, doch wann und wie genau sich die Menschen über den Globus verteilten, und was geschah, wenn diese neuen Einwanderer auf anderen Kontinenten auf andere Menschenarten stießen, ist nach wie vor strittig.
Neue Datierung bestätigt Hypothese
Jetzt haben die Wissenschaftler um McDougall die so genannten Kibish-Hominiden Omo I und Omo II erstmals auch mithilfe modernster radiometrischer Datierungsmethoden und Sedimentanalysen untersucht. Es zeigte sich, dass beide Knochenreste entgegen früheren Annahmen zur gleichen Zeit, vor rund 195.000 Jahren, gelebt haben müssen und zudem eindeutig dem modernen Menschen Homo sapiens zuzuordnen sind. „Seit mehreren Dekaden waren die Kibish-Fossilien das Schlüsselelement in Argumentationen für einen Ursprung der modernen Menschen in Afrika“, erklärt McDougall. „Doch ihr Alter und Verlässlichkeit waren bisher umstritten.“
Das jetzt festgestellt Alter der Fossilien stimmt mit den aus genetischen Analysen gewonnen Daten für das Alter der letzten gemeinsamen Homo sapiens-Vorfahren überein und bestätigt damit erneut die Theorie, dass dieser Vorfahre von Afrika aus die anderen Kontinente besiedelte. „Obwohl unsere Ergebnisse die Zeit unseres Ursprungs weiter in die Vergangenheit verschoben hat, erscheinen die meisten kulturellen Aspekte des modernen Menschen erst deutlich später – erst vor rund 50.000 Jahren. Das bedeutet fast 150.000 Jahre, in denen der Homo sapiens ohne Harpunen, Musik, Nadeln oder die meisten Werkzeuge auskommen musste“, so McDougall. „Das ist ein weiteres Rätsel, das wir noch lösen müssen.“
(National Science Foundation, 18.02.2005 – NPO)