Spannendes Phänomen: Über beiden Polkappen der Erde gibt es Space-Hurrikans – gigantische Wirbelstürme aus geladenen Teilchen in der Ionosphäre, wie Satellitendaten belegen. Allein über dem Südpolargebiet haben Forschende 256 dieser Space-Hurrikans innerhalb von zehn Jahren nachgewiesen, auch auf der Nordhalbkugel kommen solche Ionosphären-Wirbelstürme rund zwölfmal im Jahr vor. Das Merkwürdige dabei: Sie treten nicht bei Sonnenstürmen, sondern bei eher ruhigem Weltraumwetter auf.
Die in rund 80 Kilometer Höhe beginnende Ionosphäre ist ein ebenso wichtiger wie rätselhafter Ort. Einerseits bilden die in ihr zirkulierenden geladenen Teilchen einen wichtigen Schutzschirm gegen harte Strahlung und helfen bei der irdischen Funkkommunikation. Andererseits sorgt diese bis weit in den Weltraum reichende Schicht für immer neue Überraschungen. So haben Forschende in den letzten Jahren dort riesige Plasmablasen, x-förmige Strukturen und gewaltige gebogene Plasmaröhren entdeckt.
Plasma-Wirbel zwischen Himmel und Erde
Seit 2021 ist ein weiteres Phänomen hinzugekommen: Space-Hurrikans. Dabei handelt es sich um hunderte Kilometer große Plasmawirbel, in denen geladenen Teilchen um ein zentrales, stilles Auge kreisen – wie bei den Tropenstürmen in der unteren Atmosphäre. Auch einen Regen aus Elektronen und starke Aufwinde gibt es in diesen Ionosphäre-Hurrikans. Diese meist im Sommer und nachmittags auftretenden Plasmaströme können wirbelsturmähnliche Polarlichter auslösen, die aber im Sonnenlicht meist nicht zu sehen sind.
Das Merkwürdige jedoch: Anders als normale Polarlichter treten die mehre Stunden anhaltenden Space-Hurrikans nicht bei Sonnenstürmen auf. Stattdessen ereignen sich die Plasma-Wirbelstürme, wenn die irische Magnetosphäre eigentlich völlig ruhig ist und keine besonderes starken Sonnenwindböen in den erdnahen Raum eindringen. „Trotz extrem ruhiger Bedingungen transportiert der Space-Hurrikan große an Energie und Momentum in die Ionosphäre“, berichten Qing-He Zhang von der Shangdong Universität in China und seine Kollegen.
Gibt es die Space-Hurrikans an beiden Polen?
Bis jetzt wurden solche Space-Hurrikans allerdings nur über dem Polargebiet der Nordhalbkugel beobachtet. Hier treten sie im Schnitt rund zwölfmal pro Jahr auf, meist im Sommer gegen Nachmittag, wie die Forscher berichten. Unklar blieb jedoch, ob dieses Phänomen auch über dem Südpolargebiet auftritt und in welcher Form.
Deshalb haben Zhang und sein Team nun erstmals auch auf der Südhalbkugel nach solchen Ionosphären-Wirbeln gefahndet. Dafür werteten sie Daten von 2005 bis 2016 aus, die von sonnensynchron in rund 813 Kilometer Höhe um die Erde kreisenden US-Wettersatelliten aus. Diese DSMP-Satelliten haben spezielle Plasma-Messgeräte an Bord, wodurch sie auch die Signaturen von Polarlichtern, Space-Hurrikans und weiteren ionosphärischen Phänomenen detektieren können.
256 Ereignisse über dem Südpol
Und tatsächlich: Die Auswertung der Satellitendaten ergab, dass es die Ionosphäre-Wirbelstürme auch über dem Südpolargebiet gibt. „Wir haben 256 solcher Ereignisse identifiziert, die bei Abzug möglicher Doppelsichtungen mindestens 111 verschiedenen Space-Hurrikans entsprechen“, berichten Zhang und seine Kollegen. „Sie zeigen die typischen Merkmale der Space-Hurrikans, darunter einen starken horizontalen und ringförmigen Plasmastrom, ein stilles Zentrum und eine intensive Elektronen-Präzipitation mit Aufwärtsströmen.“
Ähnlich wie ihre nördlichen Pendants treten auch die südlichen Space-Hurrikans oberhalb des 80. Breitengrads auf und damit polwärts des normalen Polarlichtovals. Ein einzelner Wirbelsturm hält dabei einige Dutzend Minuten bis mehrere Stunden lang an, bevor er wieder abflaut – und genauso unvermittelt verschwindet, wie er aufgezogen ist. Auch über dem Südpolargebiet häufen sich die Space-Hurrikans zudem im Polarsommer und scheinen unabhängig von Sonnenstürmen bei vorwiegend ruhigen Weltraumwetter vorzukommen, wie das Team ermittelte.
Viele Fragen offen
Welche Folgen die Space-Hurrikans über ihre Dauer hinaus für die Ionosphäre haben, ist bisher unklar. „Ein normaler Hurrikan ist mit dem Transport großer Energiemengen und Luftmassen verbunden“, erklären Zhang und seine Kollegen. „Ein Hurrikan in der oberen Atmosphäre der Erde muss daher ebenfalls heftig sein und viel Energie und Momentum in die Ionosphäre transferieren.“ Die Messungen zeigen, dass die geladenen Teilchen mit einem Tempo von durchschnittlich 3.600 Kilometern pro Stunde um das Auge des Space-Hurrikans kreisen – zehnmal schneller als die normalen Plasmaströme in der polaren Ionosphäre.
Wie und warum die Ionosphären-Wirbelstürme scheinbar aus heiterem Himmel entstehen, ist noch nicht endgültig geklärt. Die Messdaten und Aufnahmen der Satelliten legen aber nahe, dass dabei die Feldlinien des Erdmagnetfelds eine entscheidende Rolle spielen könnte. Kommt es zwischen ihnen zu Rekonnexionen – einer Art Kurzschluss – könnte dies geladene Teilchen beschleunigen und die Wirbel erzeugen. Das Team hofft, dass weitere Beobachtungen und Messungen mehr Klarheit über die Mechanismen geben. (Journal of Geophysical Research: Space Physics, 2024, doi: 10.1029/2024JA032753; Nature Communications, 2021, doi: 10.1038/s41467-021-21459-y)
Quelle: Journal of Geophysical Research: Space Physics, EOS