Geowissen

Im Erdkern schneit es aufwärts

Auskristallisieren von siliziumhaltigem Eisen könnte "Schneeschicht" an der Kern-Mantel-Grenze bilden

Erdinneres
An der Grenze vom äußeren Erdkern zum Mantel könnte es auskristallisiertes Eisensilizid schneien -aufwärts. © johan63/ iStock

Aufsteigende Kristalle: Im äußeren Erdkern könnte es aufwärts „schneien“, wie Hochdruckexperimente nahelegen. Demnach können im Außenbereich des flüssigen Erdkerns Flocken von siliziumhaltigem Eisen auskristallisieren. Weil diese Kristalle eine geringere Dichte haben als die flüssige Eisenlegierung, steigen sie auf und lagern sich an der Unterseite der Kern-Mantel-Grenze ab. Diese „Schneeschicht“ könnte lokale Anomalien an dieser Grenzschicht zum Erdmantel erklären, wie Forschende in „Nature“ berichten.

Die Kern-Mantel-Grenze ist eine Schlüsselregion unseres Planeten. Denn dort stößt die heiße, flüssige Eisen-Legierung des äußeren Erdkerns direkt an das rund tausend Grad kühlere Mantelgestein. Die Austauschprozesse an dieser Grenze beeinflussen einerseits die Vorgänge im flüssigen Erdkern und den Geodynamo des irdischen Magnetfelds. Andererseits prägt der Wärmetransport vom Kern in den Mantel die Mantelkonvektion und damit den Motor der Plattentektonik.

Doch bisher sind weder die Prozesse an der Kern-Mantel-Grenze noch die genaue Zusammensetzung des flüssigen Erdkerns vollständig erforscht. Das macht es schwer, einige auffallende lokale und regionale Anomalien an dieser Grenze zu erklären.

Erdkern-Analog in der Diamantpresse

Neue Einblicke – und eine mögliche Erklärung für die Anomalien – haben nun Forschende um Suyu Fu von der Arizona State University mithilfe von Hochdruckexperimenten erhalten. Dafür stellten sie in einer Diamantstempelzelle die Bedingungen im Außenbereich des äußeren Erdkerns nach. Als Analog für das Kernmaterial nutzten sie eine Eisenlegierung mit neun Gewichtsprozent Silizium und einem Prozent Wasserstoff. Dies entspricht in etwa dem theoretisch erwarteten Anteil leichterer Elemente im Erdkern, wie das Team erklärt.

Im Experiment setzten die Wissenschaftler ihre Erdkern-Legierung einem ansteigenden Druck von bis zu 125 Gigapascal aus und erhitzten sie gleichzeitig mithilfe eines Lasers auf Temperaturen von bis zu 3.430 Grad. Über Röntgenstreuung und spezielle Bildgebungsverfahren ermittelten sie dabei, in welchem Zustand sich die Schmelze befand und wie sie sich veränderte.

Flocken aus kristallinem Eisensilizid

Das Ergebnis: Im größten Teil des rund 2.000 Kilometer dicken äußeren Erdkerns ist die Eisenlegierung flüssig und alle leichteren Komponenten bleiben gelöst. Aber im Außenbereich dieser Schicht kommt es in Anwesenheit der geringen Wasserstoffbeimischung zu einer selektiven Kristallisation. Dadurch bilden sich feste Flocken aus kristallinem Eisensilizid (FeSi), einer Verbindung, in der Eisen und Silizium zu gleichen Anteilen enthalten sind.

Kristallisation im Erdkern
Flocken aus Eisensilizid steigen auf und lagern sich an der Unterseite der Kern-Mantel-Grenze ab. © Lyash01, GettyImages / Podbregar

Im Prinzip entsteht dadurch eine Art Schnee aus festen Eisensilizidflocken im äußeren Bereich des Erdkerns. „Der hohe Siliziumgehalt macht diese kristalline Phase unter dort herrschenden Temperaturen in fester Form stabil“, berichten Fu und sein Team. Diese festen Kristalle treiben dann wie Schneeflocken im flüssigen Metallbad des äußeren Erdkerns.

Aufsteigender „Schnee“

Das Spannende daran: Weil Silizium leichter ist als Eisen, haben die Eisensilizid-Kristalle eine um 14 Prozent geringere Dichte als das sie umgebende Eisenbad. Sie sinken daher nicht nach unten in Richtung des festen inneren Erdkerns oder bleiben in der Schwebe, sondern steigen auf. „Als Folge schwimmen diese siliziumreichen Kristallklumpen nach oben und können sich an der Unterseite der Kern-Mantel-Grenze ablagern“, so die Forschenden.

Im Prinzip „schneit“ es dadurch aufwärts und Haufen aus Eisensilizid sammeln sich an der Grenze zum Erdmantel an. Allerdings: Dieses Szenario setzt voraus, dass die Eisenlegierung im Erdkern tatsächlich Silizium und Wasserstoff enthält. Doch es gibt inzwischen einige Indizien dafür. Demnach könnte das Silizium noch aus der Zeit der frühen, noch nicht in Schichten aufgetrennten Urerde stammen. Wasserstoff ist bei hohem Druck metallliebend und hätte sich damals ebenfalls gut im Kern lösen können, wie eine Studie kürzlich ergab.

Erklärung für rätselhafte Anomalien

Sollte sich dies bestätigen, dann könnte der Eisensilizid-Schnee einige seismologische Anomalien beiderseits der Kern-Mantel-Grenze erklären. So deutet die Verlangsamung von Bebenwellen darauf hin, dass es auf der Kernseite der Grenze eine rund zwei Kilometer dicke Schicht erhöhter Steifigkeit gibt. Diese Core Rigidity Zone (CRZ) steht schon länger im Verdacht, aus auskristallisiertem Kernmaterial zu bestehen. Das Eisensilizid erweist sich dafür nun als geeigneter Kandidat.

Die zweite Art von Anomalien sind die Ultra-Low Velocity Zones (ULVZ) auf der Mantelseite der Grenze. In diesen riesigen Zonen bremst besonders heißes, weiches und eisenhaltiges Material die seismischen Wellen ebenfalls stark ab. „Wenn im Laufe der Zeit ein kleiner Teil der auskristallisierten Eisensilizide in den Mantel gelangt ist, dann könnte das diese Zonen erklären“, so Fu und seine Kollegen. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-05713-5)

Quelle: Arizona State University

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