Sie haben keine bunten Blüten, können nicht wie Vögel singen und verbergen sich unsichtbar in der Tiefe: Bodenorganismen haben ein denkbar schlechtes Image. Zu Unrecht, denn ohne die „Ingenieure des Bodens“ gäbe es keine fruchtbaren Äcker und kein sauberes Grundwasser. Eine Arbeitsgruppe des Bundesverbandes Boden hat nun erstmalig eine Methode entwickelt, um regionale Verbreitungskarten der Bodenlebensgemeinschaften zu erstellen. Diese könnten zukünftig bei Standortplanungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen oder in der Forstwirtschaft zum Einsatz kommen.
Täglich gehen in Deutschland 93 Hektar Boden durch den Neubau von Autobahnen, Straßen, Parkplätzen oder Häusern unwiederbringlich verloren. Kaum beachtet wurde dabei in der Planungspraxis bislang der Lebensraumverlust für Tiere und Mikroorganismen. Dabei fordert das Bundesbodenschutzgesetz schon seit 1998 den Schutz der Bodenfunktion auch als Lebensraum. Unlängst sahen sogar 90 Prozent der Teilnehmer einer europaweiten Umfrage der EU Kommission den Schutz der Bodenorganismen als wichtig an.
Standorttypen und Indikatoren
Das größte Problem besteht jedoch nicht im Willen zur Umsetzung des Bodenschutzes, sondern festzustellen, welche Tiere in welcher Anzahl nun tatsächlich im Verborgenen untertage leben und welche Funktion sie haben. Um die Lebensraumfunktion des Bodens zu schützen, ist es unmöglich, das komplette Arteninventar aller Bodentiere, Bakterien und Pilze zu erheben. Aber man kann Indikatoren für bestimmte Artengemeinschaften finden. Eine Arbeitsgruppe vom Bundesverband Boden hat daher Standorttypen mit einer bestimmten Kombination von abiotischen Eigenschaften den dafür typischen Bodenlebensgemeinschaftstypen zugeordnet.
Auf Basis der Bodendaten eines realen Standortes – diese sind bei Planungen meist bekannt oder können einfach ermittelt werden – werden dann Erwartungswerte an dessen konkrete Gemeinschaft formuliert. Auf diese Weise sollen in Zukunft sogar Karten der Bodenlebensgemeinschaftstypen erstellt werden, die in der forstlichen Planung, bei der Bewertung emittierender Anlagen, bei Umweltverträglichkeitsprüfungen und bei weiteren räumlichen Planungen eingesetzt werden könnten.
Das Universum unter uns
Ein nützliches aber durchaus schwieriges Unterfangen, denn immerhin leben in Mitteleuropa 80 Regenwurmarten, 800 Raubmilbenarten oder über 320 Kleinringelwurmarten. In einem Gramm Boden kommen zudem mehr als 1.000, häufig sogar mehr als 10.000 Bakterienarten vor – eine verblüffend hohe Anzahl und Vielfalt, die erst beim Blick durchs Mikroskop oder mithilfe spezieller Extraktionsverfahren sichtbar wird. Alle Bodenorganismen üben Funktionen im Ökosystem aus und einige Arten sind sogar so bedeutend, dass sie als Ökosystemingenieure bezeichnet werden.
So führt beispielsweise die Aktivität des Tauwurms (Lumbricus terrestris) dazu, dass die Streu innerhalb eines Jahres von der Bodenoberfläche verschwindet und die Nährstoffe freigesetzt werden. Im Darm der Würmer bilden sich stabile Ton-Humuskomplexe, die den Boden vor Erosion schützen können. So beeinflussen die Regenwürmer das Wachstum der Bäume, die Nährstoffversorgung der Pflanzen, den Bodenabtrag und viele weitere Prozesse im Ökosystem.
Quelle:
Beylich, A., Broll, G. Graefe, U., Höper, H. Römbke, J., Ruf, A. & B.-M. Wilke (2005):
Biologische Charakterisierung von Böden
BVB-Materialien, Band 13
Erich Schmidt Verlag, Berlin
(Hans-Jörg Brauckmann/Universität Vechta, 03.02.2006 – AHE)