Verheerender Effekt: Hitzewellen könnten Insekten und anderen wirbellosen Tieren stärker schaden als bisher angenommen. Denn Experimente mit Käfern enthüllen, dass schon eine Hitzewelle reicht, um die Fruchtbarkeit der Insektenmännchen drastisch zu senken. Nach der zweiten Hitzewelle produzieren sie fast keine lebensfähigen Spermien mehr – sie sind steril. Durch diesen Effekt könnte der Klimawandel die Insektenvielfalt stark gefährden, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
Der Extremsommer 2018 war keine Ausnahme: Studien belegen längst, dass Wetterextreme wie Hitzewellen und Dürren durch den Klimawandel zunehmen. Für die menschliche Gesellschaft, aber auch die Tierwelt hat das erhebliche Auswirkungen. Schon jetzt zeigt sich dies im Artenschwund und dem Rückgang vieler Populationen.
„Trotz alledem haben wir aber verstörend wenig Wissen darüber, welche unmittelbaren Ursachen hinter diesen Veränderungen stehen“ sagen Kris Sales von der University of East Anglia und seine Kollegen. Sie haben nun näher untersucht, wie Hitzewellen auf Insekten und andere Wirbellose wirken.
Sensible Spermien
Ihr Verdacht: Die anomale Wärme könnte die Spermienproduktion der Insekten stören. „Bei Säugetieren ist wohlbekannt, dass die Reproduktionsfähigkeit schon auf einen geringen Anstieg der Umgebungstemperatur sensibel reagiert“, erklären die Forscher. Wird es den Hoden zu warm, produzieren sie erheblich weniger Spermien. Ob auch wechselwarme Tiere von diesem Effekt betroffen sind, war bisher jedoch kaum untersucht. „Angesichts der Tatsache, dass die große Mehrheit der Biodiversität aus exothermen Arten besteht, ist das ziemlich überraschend“, konstatieren die Wissenschaftler.
Für ihre Studie setzten die Forscher den Rotbraunen Reismehlkäfer (Tribolium castaneum) – einen weit verbreiteten Vorratsschädling – in Klimakammern mehreren Hitzewellen aus. Diese simulierten sie, indem sie die Käfer fünf Tage lang in Temperaturen von 42 Grad hielten – das sind fünf bis sieben Grad über deren Temperaturoptimum. Anschließend testeten sie die Spermienzahl und den Paarungserfolg der Männchen und untersuchten den Fortpflanzungserfolg der Weibchen.
Drastischer Schwund
Und tatsächlich: Schon nach einer Hitzewelle hatte sich die Zahl der Spermien bei den Käfermännchen um 75 Prozent reduziert. „Von diesen nach der Hitzewelle übrig gebliebenen Spermien war jedoch nur rund ein Drittel lebendig“, berichten die Forscher. Hinzu kam, dass diese Männchen sich später und weniger häufig paaren. Als Folge sank der Fortpflanzungserfolg um 30 bis 80 Prozent.
Doch auch nach erfolgreicher Paarung hatte die Hitzewelle noch Konsequenzen: Sie schädigte auch die Spermien, die schon in den Spermatheken der Käferweibchen gespeichert waren. Dadurch bekamen diese rund ein Drittel weniger Nachkommen. Angesichts der Tatsache, dass diese Art der Spermienspeicherung bei fast allen exothermen Tieren mit interner Befruchtung verbreitet ist, sei dies Grund zur Sorge, so Sales und sein Team.
Wirkung noch auf folgende Generation
Noch gravierender jedoch: Erlebten die Käfermännchen eine zweite Hitzewelle, machte sie dies fast völlig steril. Das aber bedeutet: „Für Insekten in der freien Natur ist es sehr wahrscheinlich, dass sie mehrere Hitzewellen erleben“, sagt Sales. „Wenn sich die männliche Fortpflanzung daran nicht anpasst oder zumindest schnell wieder erholt, wird dies ein Problem für den Erhalt der Population.“ Genau dies scheint bei den Käfern der Fall zu sein.
Und selbst wenn sich die Käfer doch fortpflanzen, halten die negativen Effekte an: „Die Söhne von Männchen, die einer einzigen Hitzewelle ausgesetzt gewesen waren, zeigten ebenfalls eine 25-prozentige Verringerung des Paarungs- und Fortpflanzungserfolgs“, so Sales und sein Team. Diese Einbußen traten selbst dann ein, wenn nicht die Väter, sondern nur ihre von den Käferweibchen gespeicherten Spermien der Hitzewelle ausgesetzt waren. „Das ist unseres Wissens nach der erste Nachweis solcher generationsübergreifenden Effekte von Hitzewellen“ , konstatieren die Forscher.
Gefahr für die Biodiversität?
Nach Ansicht der Forscher sind diese Effekte der Hitze auf die Fortpflanzung von Käfern und wahrscheinlich auch anderen Insekten besorgniserregend. „Die Spermienfunktion ist für die Reproduktion und Überlebensfähigkeit von Populationen essenziell“, sagt Sales. „Unsere Ergebnisse könnte eine mögliche Erklärung dafür liefern, warum die Artenvielfalt so unter dem Klimawandel leidet.“ Die ohnehin schon unter vielen Erschwernissen leidenden Populationen könnten dadurch noch mehr unter Druck geraten. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-07273-z)
(University of East Anglia, 13.11.2018 – NPO)