Störende Blasen: Nach Sonnenuntergang können sich in der oberen Atmosphäre aufsteigende Blasen bilden, die bis in die Ionosphäre gelangen und dort die Satellitenkommunikation stören. Neue Daten der SWARM-Satelliten zeigen nun, dass diese äquatorialen Plasmablasen nicht nur von der Jahreszeit und Sonnenaktivität abhängen, sondern sich auch über ein Magnetfeldanomalie im Südatlantik häufen. Dort ist das irdische Magnetfeld schwächer als es sein dürfte.
Die von geladenen Gasteilchen erfüllte Ionosphäre ist für den Schutz der Erdoberfläche gegen harte Strahlung unverzichtbar. Gleichzeitig spielt diese in 80 Kilometer Höhe beginnende und bis an die Grenze zum Weltraum reichende Atmosphärenschicht eine wichtige Rolle für die Kommunikation: Erst die Reflexion von Funkwellen an der Ionosphäre verleiht diesen ihre große Reichweite über die Erdkrümmung hinaus.
Riesige Blasen in der Ionosphäre
Doch schon seit längeren beobachten Wissenschaftler und Satellitenbetreiber ein merkwürdiges Phänomen: Am Abend nach Sonnenuntergang und in äquatorialen Breiten reißt der Kontakt zu GPS-Satelliten und anderen orbitalen Sonden manchmal abrupt ab. Ursache sind Turbulenzen in der Ionosphäre, durch die Blasen von extrem aufgeheizter Luft bis in die Ionosphäre aufsteigen können. Innerhalb weniger Stunden dehnen sich diese anfangs nur fußballgroßen Blasen mit zunehmender Höhe bis auf mehr als 100 Kilometer Durchmesser aus.
Das Problem: Weil diese äquatorialen Plasmablasen nicht-ionisierte Gasmoleküle enthalten und weniger dicht sind als die umgebende Ionosphäre, stören sie deren Struktur und auch die Weiterleitung von Funksignalen zwischen Satelliten und Erdoberfläche. Die Signale werden abgelenkt und gestreut und für jeweils mehrere Minuten kann der Kontakt unterbrochen sein.
Abhängig von Jahreszeit und Sonnenaktivität
Wie oft diese Plasmablasen auftreten und wovon dies abhängt, haben nun Sachin Reddy vom University College London und seine Kollegen näher bestimmt. Für ihre Studie hatten sie mithilfe eines KI-gestützten Algorithmus acht Jahre an Messdaten der Swarm-Satelliten der Europäischen Weltraumagentur ESA ausgewertet. Diese drei Satelliten umkreisen die Erde auf polaren Bahnen in rund 460 Kilometer Höhe und überwachen den Zustand der Ionosphäre und des irdischen Magnetfelds.
Die Analysen ergaben: Wie schon zuvor beobachtet, scheinen die äquatorialen Plasmablasen zu bestimmten Jahreszeiten besonders oft aufzutreten – sie häufen sich immer dann, wenn die Ausrichtung von Tag-Nacht-Grenze und örtlichen Magnetfeldlinien relativ gut übereinstimmt. Das ist häufig während der Tag-und-Nacht-Gleichen im Frühjahr und Herbst der Fall. Zudem kommen die Plasmablasen in Zeiten hoher Sonnenaktivität häufiger vor.
Häufung über Südatlantik-Magnetfeldanomalie
Auffallend ist jedoch auch die geografische Verteilung: Das äquatoriale Asien ist am wenigsten oft betroffen, Afrika und Südamerika hingegen besonders häufig. Wie Reddy und sein Team feststellten, liegt diese Plasmablasen-Häufung ziemlich genau in dem Gebiet, in dem das Erdmagnetfeld eine regionale Schwächezone aufweist. Diese Südatlantik-Anomalie reicht von der Südspitze Afrikas bis nach Südamerika und zeigt eine Drehung und Abschwächung der Feldlinien. Den neuen Daten zufolge scheint diese Anomalie das Auftreten von äquatorialen Plasmablasen zu fördern.
Noch wichtiger jedoch: Ausgehend von ihren Ergebnissen gelang es den Forschenden, ein KI-gestütztes Vorhersagemodell für die Kommunikations-störenden Blasen zu entwickeln. Dieses erreichte in mehreren Tests eine Treffsicherheit von im Schnitt 91 Prozent, wie Reddy berichtet. „Wir müssen fähig sein, die Plasmablasen wie mit einer Art Wetterbericht vorherzusagen, um größere Störungen der Satellitendienste zu vermeiden“, so der Forscher.
„Wettervorhersage“ für Plasmablasen
„Unser Ziel ist es, das wir eines Tages so etwas sagen können wie: Um acht Uhr morgen Abend besteht eine 30-prozentige Chance für eine Plasmablase über dem Horn von Afrika“, fährt Reddy fort. Diese Art der Information ist extrem wichtig und nützlich für Satellitenbetreiber und für die Menschen, die im Alltag von Satellitendaten abhängig sind.“ (National Astronomy Meeting NAM 2022)
Quelle: Royal Astronomical Society