Klima

IPCC: Klimafolgen stärker als angenommen

Ärmste Länder am stärksten betroffen

IPCC: Überblick über physikalische und biologische Klimafolgen weltweit © IPCC

Nach einer Woche zäher Verhandlungen hat das UN-Klimagremium IPCC am Freitag in Brüssel den zweiten Teil des vierten Klimaberichtes der Vereinten Nationen verabschiedet. Bis zur letzten Minute dauerten die Verhandlungen über einzelne Formulierungen an.

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Der Bericht der Arbeitsgruppe II des IPCC ist der zweite von insgesamt 3 Teilbänden des 4. Sachstandsberichtes (AR4). Er spiegelt den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu den Auswirkungen klimatischer Änderungen auf natürliche, bewirtschaftete und menschliche Systeme, ihrer Anpassungsfähigkeit und Verwundbarkeit wider und beruht auf den Analysen von rund 2.000 Wissenschaftlern aus aller Welt und Regierungsgesandten aus 120 Ländern.

Mensch klar als Verursacher herausgestellt

Der Bericht zeigt erstmalig auf, dass weltweit erhebliche Umweltveränderungen und -schäden auf den vom Menschen geschaffenen Klimawandel zurückzuführen sind und deutlich stärker ausfallen werden, als angenommen. Unter dem Strich führe die von den Fachleuten erwartete raschere Erwärmung mit großer Wahrscheinlichkeit zu deutlich negativen Auswirkungen – auch in Europa und in Deutschland. Nach Auffassung der Fachleute dürften die Klimaänderungen zahlreiche Ökosysteme in diesem Jahrhundert überfordern. Steigt etwa die Temperatur um mehr als 1,5 bis 2,5 Grad Celsius, könnten rund 20 bis 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten aussterben, so der IPCC.

Betroffen von Klimafolgen wie Hunger, Wassermangel, Stürme und Überschwemmungen sind vor allem die ärmsten Länder. „Die armen Menschen sind die anfälligsten, und sie werden am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels getroffen“, erklärte der Vorsitzende Rajendra Pachauri. „Daraus entsteht eine weltweite Verantwortung.“ Am dramatischsten sind die Auswirkungen für Afrika, wo bis 2020 vermutlich bis zu 250 Millionen Menschen unter Wassermangel zu leiden haben. In einigen Ländern werden die Ernten um die Hälfte zurückgehen.

Mensch klar als Verursacher herausgestellt

„Die internationale Klimaforschung kann heute mit hoher Zuverlässigkeit Folgen der vom Menschen verursachten Klimaänderungen in allen Regionen der Welt feststellen. Das ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber dem letzten Sachstandsbericht“, erklärte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. „Der Bericht macht deutlich: Je stärker sich das Klima ändert, desto schwerwiegender sind die Folgen für Mensch und Umwelt. Sie sind aber weniger folgenschwer, je früher und entschiedener Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen ergriffen werden.“

„Dieser Bericht zeichnet ein Bild von einer apokalyptischen Zukunft. Es muss sofort gehandelt werden kommentiert Greenpeace-Klimaexpertin Dr. Gabriela von Goerne das Ergebnis. „Er ist eine gellende Mahnung, wie dramatisch sich die Welt verändern wird, wenn der Mensch die Klimazerstörung nicht in den Griff bekommt. Machen wir weiter wie bisher, gibt es bald keinen Ort mehr, an dem wir vor den Auswirkungen der Klimazerstörung noch sicher sind.“

Reaktionen von Gleichmut…

Noch in der Endphase der Formulierung der „Zusammenfassung für Entscheider“ gab es unter den Vertretern der Staaten Uneinigkeiten. Die USA, aber auch China, Russland und Saudi-Arabien setzten die Änderung einiger Passagen durch. So wurde ein Abschnitt zu den zu erwartenden Klimafolgen in Nordamerika komplett gestrichen, außerdem war das Ausmaß der erwarteten Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten strittig. Diskutiert wurde außerdem über die Frage, ob eine Schätzung zu den finanziellen Kosten der Klimakatastrophe in den Bericht aufgenommen werden soll sowie Angaben über die Verlässlichkeit der bisherigen Beobachtungen.

Während sich China und Australien, zwei der größten Emittenden von Treibhausgasen eher unbeeindruckt von den dramatiaschen Szenarien zeigten, die der Bericht prognostiziert, scheint sich in den USA jetzt jedoch ein Wandel abzuzeichnen – zumindest in der Opposition: Die Demokraten planen, noch bis Ende dieses Jahres die CO-Emissionen der Industrie stärker zu begrenzen. Sie kündigten in dieser Frage eine stärkere Konfrontation mit der Regierung von US-Präsident George W. Bush im Kongress an. Australiens Premierminister John Howard sah dagegen in dem Bericht „wenig Neues“ und bekräftigte das Nein seiner Regierung zum Kyoto-Protokoll.

…bis Aufbruchsstimmung

In Deutschland forderten führende Politiker und Unternehmen nach der Veröffentlichung des Berichts ein sofortiges Umdenken in der Klimapolitik. „Die Industrieländer sind die Hauptverursacher des Klimawandels. Deshalb stehen sie besonders in der Verantwortung“, erklärte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die reichen Nationen müssten ihre Emissionen radikal reduzieren. „Der Klimawandel ist heute das Sicherheitsrisiko Nummer 1 für die Menschheit. Dagegen müssen wir alle einen Schutzschild aufbauen.“

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) will daher seine Aktivitäten für den Klimaschutz intensivieren und mit dem Aktionsprogramm „Forschung für den Klimawandel“ in den nächsten drei Jahren 255 Millionen Euro bereit stellen. „Mit dem Klimawandel zu leben und umzugehen ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit“, erklärte Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan. „Ich habe hochrangige Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik für den 3. Mai 2007 zu einem Klimaforschungsgipfel nach Hamburg eingeladen, um eine nationale Klimaforschungsstrategie zu verabreden.“

Mehr dazu finden Sie in unserem Special „IPCC-Klimabericht“

(IPCC, BMU, BMBF, Greenpeace, 10.04.2007 – NPO)

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