Geowissen

Istanbul: Akute Bebengefahr bestätigt

Seismische Lücke im Marmara-Meer spricht für überfälliges Erdbeben

Istanbul und die Nordanatolische Verwerfung, rot: das Cinarcik-Segment im Marmara-Meer © Mike Norton / CC-by-sa 3.0

Akute Gefahr: Die türkische Millionenstadt Istanbul sitzt auf einer seismischen Zeitbombe. Erneut haben Seismologen Hinweise darauf gefunden, dass sich das nächste Beben entlang der Nordanatolischen Verwerfung direkt vor den Toren der Stadt ereignen könnte. Denn nur wenige Kilometer südlich von Istanbul liegt ein Segment der Störung, an der eine Entladung überfällig ist, wie die Forscher berichten.

Istanbul gilt als hochgradig erdbebengefährdet. Denn nur rund 20 Kilometer südlich der Millionenstadt verläuft ein Arm der Nordanatolischen Verwerfung – einer Störung in der Erdkruste, entlang der immer wieder Erdbeben auftreten. Bereits 2013 warnten Seismologen, dass der Abschnitt der Verwerfung, der der Stadt am nächsten liegt, bereits überfällig für ein Beben sein könnte. Einige Forscher erwarten sogar eine Entladung der Spannungen in mehrfachen Beben.

Laureen Drab von der Ecole Normale Superieure in Paris und ihre Kollegen haben nun den Teil der Nordanatolischen Verwerfung näher untersucht, der unmittelbar südlich von Istanbul durch das Marmara-Meer verläuft. Anhand von Sedimentbohrkernen aus dem Meeresgrund ermittelten sie, wann die letzten Erdbeben an diesem sogenannten Cinarcik-Segment auftraten. Erkennen lässt sich dies an charakteristischen Turbulenzen im Sediment.

Seismische Lücke im Marmara-Meer

„Das wichtige an unserer Studie ist, dass wir damit vergangene Erdbeben spezifischen Segmenten der Verwerfung zuordnen können“, erklärt Drab. Das hilft zum einen dabei, die Wiederholrate der seismischen Aktivität genauer zu bestimmen. Andererseits zeigt es auf, an welchen Segmenten es länger kein Erdbeben gab und damit, wo sich besonders viel Spannung im Untergrund angestaut haben könnte.

Die Bohrkerne zeigten klare Spuren von sechs großen Erdbeben, die sich in der Zeit zwischen 136 bis 1896 entlang des Cinarcik-Segments ereigneten. Das bisher ebenfalls diesem Verwerfungszweig zugeordnete schwere Beben von 1766 jedoch fand entgegen bisherigen Annahmen nicht hier statt, wie die Forscher berichten. Es habe sich stattdessen an einem anderen Segment ereignet.

Akute Gefahr für Istanbul bestätigt

„Unsere Daten deuten darauf hin, dass die aktuelle Bebensequenz des Cinarcik-Segments unvollständig ist“, sagt Drab. „Wir sehen, dass es eine seismische Lücke im Cinarcik-Segment gibt. Aus meiner Sicht wird sich wahrscheinlich hier das nächste Erdbeben ereignen.“ Die neue Daten bestätigen damit die Befürchtungen vieler Seismologen, dass Istanbul akut gefährdet ist.

Schon seit einigen Jahren arbeiten Wissenschaftler des Geoforschungszentrums Potsdam und ihre Kollegen von der Bogazici-Universität in Istanbul daran, die seismologische Überwachung und vor allem die Frühwarnung in der Region zu optimieren. Neben einem seismologischen Beobachtungsnetz um das Marmara-Meer ist auch ein Sensorennetz innerhalb des Stadtgebiets von Istanbul aufgebaut. Dieses soll im Erdbebenfall sofort Alarm auslösen und so der Stadt und ihren Bewohnern wertvolle Sekunden der Warnung und Vorbereitung verschaffen. (Bulletin of the Seismological Society of America, 2015)

(Seismological Society of America, 31.03.2015 – NPO)

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