Istanbul sitzt auf einem Pulverfass: Direkt südlich der Stadt erwarten Seismologen jeden Moment das nächste Starkbeben. Jetzt haben deutsche Geoforscher aber zumindest einen kleinen Lichtblick für die Metropole: Stärker als Magnitude 7,4 wird das kommende Beben wohl nicht. Das sagen sie aus historischen Bebendaten und dem Alter der Verwerfung vorher. Damit allerdings bewegt es sich in der gleichen Größenordnung wie das Beben, das 1999 die Stadt Izmit zerstörte.
Rein äußerlich sind diese Nahtstellen der Erde eher unauffällig: An Transformstörungen wie dem San-Andreas-Graben oder der Nordostanatolischen Verwerfung gibt keine hohen Gebirge, keine Tiefseegräben und auch keine Vulkane. Aber sie haben es in sich: Denn an diesen Nahtstellen gleiten zwei Erdplatten seitlich aneinander vorbei und verhaken sich dabei leicht. Als Folge wächst die Spannung im Untergrund – und entlädt sich dann plötzlich in starken Erdbeben.
Metropolen auf dem Pulverfass
Gleich mehrere Ballungsräume liegen in direkter Nachbarschaft zu solchen Transformstörungen, darunter die Millionenstädte Istanbul, Los Angeles und San Francisco. An diesen Orten ist es entscheidend zu wissen, wann ein Beben droht und vor allem, wie stark es dann werden kann. Eine schon seit längerem diskutierte Theorie dazu geht davon aus, dass ältere Verwerfungen potenziell gefährlicher sein können. Denn im Laufe der Zeit verschmelzen in ihnen verschiedene Grabensegmente und können dann auf größerer Länge aufreißen – und so mehr Energie in Form von Bebenwellen freisetzen.

Aber eindeutige Belege oder gar eine Möglichkeit, diesen Effekt zu quantifizieren, gab es dafür nicht. Marco Bohnhoff vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam und seine Kollegen sind diesem Ziel nun einen wichtigen Schritt näher gekommen. Für ihre Studie analysierten sie Stärke und Lage von historischen Erdbeben entlang der Nordostanatolischen Verwerfung, einer Transformstörung zwischen der Anatolischen und der Eurasischen Platte.