Umwelt

Jangtse: Viele Schadstoffe – aber gut verdünnt

Wissenschaftler erklären Weißen Flussdelfin für ausgestorben

Schweizer und chinesische FOrscher an Bord des Messschiffs Kekao1. © EAWAG

Im Rahmen der „Yangtze Freshwater Dolphin Expedition“ hat das Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag Wasser- und Sedimentproben des größten chinesischen Flusses analysiert. Das Ergebnis: Die Schadstoffwerte liegen – noch – im Rahmen. Dennoch mussten die Forscher konstatieren, dass der seltene weiße Flussdelfin nahezu ausgestorben ist.

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Auf einer Konferenz in Bern gaben die chinesische und die schweizerische Expeditionsleitung am Freitag Einblick in die Grundlagen und die Bedeutung des außergewöhnlichen Abenteuers, das leider eine traurige Gewissheit brachte: Das Team musste den Baiji des „Langen Flusses“, den weißen Flussdelfin, als „funktionell ausgestorben“ erklären. Allerdings können nach heutiger Erkenntnis nicht die chemischen Belastungen im Fluss für das Verschwinden des Baiji verantwortlich gemacht werden, jedenfalls sicher nicht als zentraler Grund. Die Wissenschaftler hatten die Wasserqualität von insgesamt 1.500 Kilometern des „großen Flusses“ analysiert.

Konzentrationen wie anderswo auch

Denn im Allgemeinen sind die Konzentrationen der anthropogenen Verunreinigungen im Yangtze vergleichbar mit denen anderer großer Flüsse der Erde. Gelegentlich treten lokal erhöhte Konzentrationen einiger Elemente und organischer Vebindungen auf, die auf der weiteren Fließstrecke aber meist wieder verdünnt werden. Die Konzentrationen einiger Elemente wie dem gefürchtete Arsen, dem toxischen Thallium, und Antimon, nehmen im Längsverlauf des Flusses zwar zu. Die gegenwärtig im Jangtse auftretenden Metallkonzentrationen sind heute aber immer noch zwei- bis achtmal kleiner als vor 30 Jahren im Rhein, der Zeit der höchsten Verschmutzung.

Die von der EU für einige Metalle empfohlenen Richtwerte liegen durchwegs über den im Jangtse gemessenen Konzentrationen, was darauf hindeutet, dass auch heute viele europäische Flüsse noch mit wesentlich höheren Konzentrationen zu kämpfen haben.

Schadstofflast nimmt zu

Während in Europa die Trendwende schon geschafft ist und die Konzentrationen am Abnehmen sind, nehmen sie in China generell noch stark zu. So hat sich die Stickstoff-Konzentration in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Die Konzentration von gelöstem Stickstoff verdoppelt sich auch zwischen dem Drei-Schluchten Damm und Shanghai und rührt hauptsächlich vom in der Landwirtschaft zunehmend verwendeten Mineraldünger, während Phosphat auf einem vergleichsweise tiefen Niveau konstant bleibt. Von den getesteten 236 organischen Chemikalien wurden nur wenige in lokal erhöhten Konzentrationen gefunden. Viele der persistenten Substanzen, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, treten saisonal auf und wurden nur in Spuren entdeckt.

Anreicherung an der Mündung

Die Konzentrationen der meisten Messwerte fallen im Vergleich mit anderen großen Flüssen nicht auf, weil der Jangtse enorme Wassermengen führt. Eine unmittelbare Schädigung des Ökosystems entlang des Flusses ist daher zunächst nicht zu erwarten, anders sieht dies jedoch dort aus, wo sich die gesamte Fracht entlädt und anreichert: an der Mündung. Hier eutrophieren die täglich eingetragenen 1.500 Tonnen Stickstoff die Küstengewässer und verursachen Algenblüten. Toxische Metalle sowie Arsen – trotz geringer Konzentration eine tägliche Fracht von 4.600 Kilogramm – und die persistenten organischen Chemikalien reichern sich an und werden in die Nahrungskette der produktiven Schelfgebiete aufgenommen.

Schadstoffe nicht schuld am Delfinsterben

Die Messungen ergeben keinen direkten Beleg für einen Zusammenhang zwischen der chemischen Gewässerqualität und dem Verschwinden des Weißen Jangtse Delfins, des chinesischen Störs, oder dem Rückgang des endemischen Kleinwals. Ihr Verschwinden muss nach Ansicht der Forscher eher auf eine Vielfalt von Umständen zurückgeführt werden, unter denen die Verschlechterung der chemischen Wasserqualität aber ein zusätzlicher Faktor sein kann.

Andere Faktoren sind die Zerstörung der Lebensräume beispielsweise durch die starke Kanalisierung des Flusses, das Abschneiden von Seitengewässern mit Dämmen, die Trockenlegung von Seen und Überflutungsflächen für die Landwirtschaft, die Überfischung, unselektive Fischereimethoden, der enorme Frachtverkehr und Ähnliches. Die zunehmende Industrialisierung, der steigende Lebensstandard, künstliche Bewässerung und die wachsende Stromerzeugung erhöhen generell den Druck auf den Jangtse.

(Swiss Federal Institute of Aquatic Science and Technology, 05.11.2007 – NPO)

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