Keine normale Schwankung mehr: Die Trockenheit der letzten Sommer ist für Mitteleuropa seit 2.100 Jahren beispiellos, wie nun Isotopenanalysen von Jahresringen belegen. Demnach gab es zwar seit der Antike immer wieder trockenere Phasen. Ein so starker und abrupter Abfall der Niederschläge wie seit 2015 ist jedoch noch nie vorgekommen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“. Als Ursache sehen sie unter anderem Veränderungen des Jetstreams durch den Klimawandel.
Ob in Europa, den USA oder Teilen Asiens: In vielen Regionen der Nordhalbkugel mehren sich inzwischen sommerliche Trockenperioden und Hitzewellen. Besonders gravierend zeigt sich dies seit 2015 in Mitteleuropa, denn hierzulande fällt seitdem weit weniger Regen als normal – mit schweren Folgen für Landwirtschaft und Wälder. Vor allem der Sommer 2018 setzte neue Rekorde in puncto Dürren und Hitze.
Baumringe aus 2.100 Jahren
Doch wie außergewöhnlich ist diese Trockenperiode? Handelt es sich nur um eine normale Klimaschwankung, wie es sie auch früher gab, oder sehen wir hier ein Symptom des Klimawandels? „Wir sind uns alle der außergewöhnlich heißen und trockenen Sommer der letzten Jahre bewusst, aber wir brauchen präzise Rekonstruktionen der historischen Bedingungen, um zu wissen, wie vergleichbar dies mit früheren Ereignissen ist“, erklärt Ulf Büntgen von der University of Cambridge.
Um dies zu klären, haben Büntgen und sein Team Baumringe aus den letzten 2.100 Jahren mit modernsten Hightech-Methoden untersucht. Sie brachten dafür zunächst Jahresring-Proben von 147 Eichen aus Tschechien und Südbayern anhand der Baumringmuster in eine zeitliche Reihenfolge. 21 dieser Eichenbäume leben noch, die restlichen Proben stammen aus dem Holz historischer Bauten, sowie aus archäologischen und fossilisierten Holzfunden.
Dann analysierte das Team die Sauerstoff- und Kohlenstoff-Isotope in den Geweben der Jahresringe. „Anders als konventionelle Baumring-Studien geben uns diese Jahresring-Isotope weit genauere Daten, um die hydroklimatischen Bedingungen in gemäßigten Breiten zu rekonstruieren“, erklärt Koautor Jan Esper von der Universität Mainz. Nach einer Kalibrierung der Ergebnisse mithilfe von gut dokumentierten Klimadaten des letzten Jahrhunderts konnten Büntgen und sein Team so das mitteleuropäische Klima der letzten 2.100 Jahre rekonstruieren.
Trockenphasen gab es schon häufiger…
Die Rekonstruktion ergab: Auch in der Vergangenheit hat es schon mehrfach Phasen besonders trockenen oder nassen Wetters gegeben. „Ausgedehnte Dürreperioden gab es um die Jahre 40, 590 und 950“, berichten die Forscher. Diese treffen zusammen mit dem Ende der keltischen Dominanz über Europa und der Zeit der spätantiken Völkerwanderung. Eine weitere Dürreperiode hat es in der Renaissance zwischen 1490 und 1540 gegeben. In dieser Zeit wurden in Mitteleuropa besonders viele künstliche Teiche, Wehre und Kanäle angelegt.
Die fünf trockensten Phasen der letzten 2.100 Jahre waren jedoch die Jahre 1508 und 1509, sowie 2016, 2017 und 2018, so Büntgen und sein Team. Betrachtet man nicht einzelne Jahre, sondern Vier- oder Fünfjahres-Zeiträume, dann begann die trockenste Periode der gesamten Untersuchungsspanne im Jahr 2015 beziehungsweise 2014.
…aber die jüngste ist historisch beispiellos
Nach Angaben der Forscher nehmen die jüngsten Dürren damit selbst im historischen Kontext eine Sonderstellung ein: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das, was wir in den letzten fünf Sommern erlebt haben, für Mitteleuropa außergewöhnlich ist“, sagt Büntgen. Diese Abfolge der Sommerdürren übertreffe alles, was in den letzten 2.100 Jahren vorgekommen sei.
Hinzu kommt, dass diese Extreme der jüngsten Zeit in einen langfristigen, schleichenden Trend zu einem immer trockeneren Klima in Mitteleuropa eingebettet sind. „Nach Jahrhunderten des langsamen, signifikanten Rückgangs der Niederschläge sehen wir jetzt einen scharfen Abfall, der vor allem für die Land- und Fortwirtschaft alarmierend ist“, sag Co-Autor Mirek Trnka vom CzechGlobe Forschungszentrum in Brno.
Klimawandel und Jetstream schuld?
Welche Ursachen hinter der außergewöhnlichen Trockenperiode der jüngsten Zeit stehen, ist bislang noch nicht im Einzelnen geklärt. Die Wissenschaftler halten es aber für sehr wahrscheinlich, dass der anthropogene Klimawandel dabei eine wichtige Rolle spielt. Denn der abnehmende Gradient zwischen den Temperaturen der Arktis und der mittleren Breiten trägt dazu bei, die großräumigen Luftströmungen und insbesondere den für Mitteleuropa klimabestimmenden Jetstream zu verändern.
„Sowohl die Lage des sommerlichen Jetstream als auch die Position und Dauer der korrespondierenden Hochdruckzellen über Nord- und Mitteleuropa können das räumlich-zeitliche Ausmaß der europäischen Sommerdürren beeinflussen“, erklären Büntgen und sein Team. Denn wenn der Jetstream schwächer und welliger wird, bleiben Hochdruckgebiete länger über uns stehen – und das bringt im Sommer anhaltend sonniges und trockenes Wetter. (Nature Geoscience, 2021; doi: 10.1038/s41561-021-00698-0)
Quelle: University of Cambridge