Überraschender Fund: Archäologen haben die ältesten Belege für die Zubereitung von Kakao in der Neuen Welt entdeckt. Demnach wurde der Trinkkakao nicht in Mittelamerika erfunden, sondern viel weiter südlich – im Amazonagebiet. Das belegen Rückstände von Kakao in 5.300 Jahre alten Tongefäßen aus dem Südosten Ecuadors. Schon 1.500 Jahre vor den Kulturen Mittelamerikas haben demnach die Menschen dort die Kakaopflanze domestiziert und ihre Samen als Getränk zubereitet, wie die Forscher berichten.
Schon die Maya und Azteken wussten Kakao und Schokolade zu schätzen: In den präkolumbianischen Kulturen Mittelamerikas war das Gebräu aus den Samen des Kakaobaums Theobroma cacao ein Trank der Götter und der Eliten. Der Trinkkakao wurde in Ritualen und bei Festen konsumiert und in speziellen Trinkbechern kredenzt, wie archäologische Funde belegen. Abbildungen zeugen zudem davon, dass Kakaosamen gehandelt und als Währung bei Tributzahlungen eingesetzt wurden.
Wo lebten die ersten Kakaotrinker?
Doch trotz dieser prominenten Rolle des Kakaos blieb sein Ursprung im Dunkeln: „Die Geschichte seiner Domestikation, seine frühe Nutzung und Verbreitung in der Neuen Welt sind noch immer unklar“, erklären Sonia Zarrillo von der University of Calgary und ihre Kollegen. Zwar stammen die mit 3.900 Jahren bisher ältesten archäologischen Nachweise der Kakaozubereitung aus Mittelamerika – weshalb man lange diese Region als Ursprung der Kakaokultur annahm.
Aber ausgerechnet in Mittelamerika ist die genetische Vielfalt des Kakaos auffallend gering. Sehr viel mehr Varianten wilder Kakaopflanzen gibt es dagegen im oberen Amazonasgebiet, wie die Forscher erklären. Stutzig macht zudem, dass auch in Ecuador und im Norden Perus präkolumbianische Gefäße mit Abbildungen von Kakaobohnen gefunden wurden. Allerdings: „Eindeutige Beweise für eine frühe Nutzung des Kakaos auch in Südamerika fehlten bisher“, erklären die Wissenschaftler.
Kakaorückstände in Tongefäßen
Eine Entdeckung im Südosten Ecuadors hat dies nun geändert. Zarrillo und ihr Team führen dort Ausgrabungen in einer der ältesten Siedlungsstätten der Mayo-Chinchipe-Kultur durch, einem schon vor rund 5.450 Jahren bewohnten Dorf. Für ihre Studie analysierten sie Rückstände in verschiedenen Tongefäßen aus Gräbern, Müllgruben und einem zeremoniellen Herd auf Spuren von Theobroma cacao – dem domestizierten Kakaobaum.
Und tatsächlich: Die Forscher wurden mit allen drei eingesetzten Methoden fündig. In sechs von 19 Proben wiesen sie Reste von Kakaostärke nach. In 46 von knapp 200 weiteren Proben entdeckten sie Spuren von Theobromin, einem Biomolekül, das nur in der domestizierten Kakaoart Theobroma cacao präsent ist. DNA-Analysen der Pflanzenrückstände bestätigten zudem, dass es sich um die Spezies Theobroma cacao handelt und nicht um wilde Kakaoarten. „Damit haben wir erstmals drei unabhängige archäologische Belege dafür, dass es domestizierten Kakao schon zu präkolumbianischer Zeit in Südamerika gab“, sagt Zarrillo.
1.500 Jahre früher als in Mittelamerika
Das Entscheidende jedoch: Die Kakaoreste aus Ecuador sind bis zu 5300 Jahre alt – und damit rund 1500 Jahre älter als ähnliche Funde aus Mittelamerika. „Diese Studie präsentiert damit die ältesten Belege für die Nutzung von Theobroma cacao in der Neuen Welt – und sie enthüllt die obere Amazonasregion als das älteste bisher bekannte Zentrum der Kakaodomestikation“, konstatieren Zarrillo und ihre Kollegen.
Die ersten Kakaozüchter lebten demnach nicht in Mexiko oder Kolumbien, sondern deutlich weiter südlich. Von dort aus breitete sich der Kakaoanbau dann allmählich immer weiter nach Norden aus. „Die Verwendung von Kakao als Getränk war etwas, das schnell übernommen wurde und sich dann auch in den Regionen des heutigen Kolumbien, Panama und anderen Teilen Mittelamerikas verbreitete“, sagt Co-Autor Michael Blake von der University of British Columbia.
Über Handelsrouten in den Norden
Aber auch ein direkter Handel der Mayo-Chinchipe mit Kakaopflanzen oder Samen über Handelsrouten entlang der Pazifikküste könnte den Kakao nach Mittelamerika gebracht haben. „Aus archäologischen Funden geht hervor, dass die Mayo-Chinchipe mit Gruppen an der Pazifikküste in Kontakt standen“, sagen die Forscher. „Dieser Austausch umfasst zweifellos auch kulturell wichtige Pflanzen.“
Ohne diese Verbindungen hätten die Maya und Azteken einige Jahrtausende später möglicherweise ohne den für sie so wichtigen „Göttertrunk“ auskommen müssen. „Bis heute profitieren wir von vielen Lebensmitteln, die einst von den Ureinwohnern der Neuen Welt erschaffen wurden“, sagt Blake. „Und eines der weltweit beliebtesten ist die Schokolade.“ (Nature Ecology & Evolution, 2018; doi: 10.1038/s41559-018-0697-x)
(University of British Columbia, 30.10.2018 – NPO)