Vor rund 500 Millionen Jahren explodierte die Lebenswelt der Erde plötzlich, in kurzer Zeit entstanden die Vorfahren fast aller heutigen Tiergruppen. Aber warum? Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, dass eine plötzliche Zunahme der Kalziumkonzentration im Meerwasser ein entscheidender Faktor gewesen sein könnte. Wie sie in der Fachzeitschrift „Molecular Biology and Evolution“ berichten, förderte dies nicht nur neue Organe wie Kalkskelette und Schalen, sondern auch das Zusammenlagern von Zellen.
Vor 540 Millionen Jahren, im Kambrium, entstanden die Vorfahren der heutigen großen Tierstämme innerhalb einer – nach geologischen Maßstäben – extrem kurzen Zeit. Aus einfachen einzelligen Mikroorganismen bildete sich eine Vielfalt mehrzelliger Organismen, der Metazoen. Seit Jahrzehnten fragen sich die Naturwissenschaftler, wie es zu dieser „Explosion des Lebens“ kam. Jetzt haben Wissenschaftler um Dario Anselmetti von der Universität Bielefeld und Xavier Fernández-Busquets von der Universität von Barcelona sich dieser Frage gemeinsam mit Kollegen aus den USA und der Schweiz auf ungewöhnliche Weise genähert.
Schwämme als Modell
Die Forscher untersuchten die Zelladhäsion, die Ausbildung von Kontakten zwischen einzelnen Zellen bei Meeresschwämmen. Die einfach gebauten Organismen ohne spezialisierte Muskel-, Sinnes-, oder Nervenzellen haben die letzten 500 Millionen Jahre fast unverändert überdauert und gelten als Bindeglied zwischen dem einzelligen Präkambrium und dem vielfältig-mehrzelligem Heute. Mit Hilfe von biophysikalischen und molekularbiologischen Analysen ergründeten die Wissenschaftler, welche Faktoren einen solchen Zusammenhalt von Zellen fördern.
Kalziumschub förderte neue Lebensformen
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine plötzliche und massive Erhöhung der Kalziumkarbonat-Konzentration im kambrischen Meerwasser den Zusammenhalt mehrzelliger Schwammstrukturen gefördert und überhaupt erst ermöglicht haben könnte. Gleichzeitig ermöglichte diese „Kalkschwemme“ auch die Ausbildung von Schalen, Zähnen oder Außenskeletten. Damit eröffneten sich ökologisch völlig neue Nischen, die Differenzierung der Lebenswelt förderten.
Als Ursache für die Erhöhung der Kalziumkonzentrationen postulieren die Forscher ein tektonisch-geologisches Ereignis. Ihrer Ansicht nach könnte diese geologisch induzierte Erhöhung des marinen Kalziums und die damit einhergehende Aggregation von einzelligen Lebensformen zu mehrzelligen Organismen der eigentliche Schlüssel für die kambrische „Explosion des Lebens“ sein.
(Universität Bielefeld, 07.10.2009 – NPO)