Die Donau – Europas zweitgrößter Fluss – zeigt klare Symptome des Klimawandels. Denn bis vor rund 70 Jahren fror der Unterlauf der Donau in fast jedem Winter wochenlang zu. Seit den 1950er Jahren aber ist eine Eisdecke die absolute Ausnahme geworden, wie die Auswertung von Langzeitdaten belegt. Hinter diesem drastischen Eisschwund steckt vor allem der Anstieg der Wintertemperaturen in Europa, wie Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Viele alte Gemälde und historische Aufzeichnungen zeugen davon, dass zugefrorene Flüsse im winterlichen Europa früher keine Seltenheit waren. Das bestätigt auch die Klimaforschung: „Auf der Nordhalbkugel erfahren rund 60 Prozent aller Flüsse signifikante saisonale Effekte in Form von Wintereis“, erklären Monica Ionita vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) und ihre Kollegen. Heute jedoch sind solche Winter mit eisbedeckten Gewässern eher selten – so scheint es jedenfalls.
Eistagebuch als Klimazeuge
Doch ist dies schon ein Effekt des Klimawandels oder doch nur eine natürliche Klimaschwankung oder gar ein subjektiver Eindruck? Das haben Ionita und ihre Kollegen nun am Beispiel der unteren Donau untersucht. Für ihre Studie werteten sie ein Eistagebuch aus, das seit dem Jahr 1836 in der rumänischen Hafenstadt Tulcea geführt wird. In ihm wird in jedem Winter verzeichnet, wann und wie lange die Donau zugefroren ist.
„Dies ist die erste Langzeit-Aufzeichnung über die Eisbedeckung der Donau in dieser Region – sie reicht rund 180 Jahre weit zurück“, sagen die Forscher. Für sie waren diese Langzeitdaten eine einzigartige Chance, die Klimaentwicklung im Donaudelta und ihren Einfluss auf die winterliche Vereisung des Flusses nachzuvollziehen.
Abrupter Wandel um 1950
Das Ergebnis: Noch bis vor knapp 70 Jahren fror die untere Donau in fast jedem Winter zu. Im Durchschnitt blieb der Fluss dabei rund 32 Tage zugefroren, wie die Forscher berichten. Doch seit den 1950er Jahren hat sich dies signifikant geändert: „Eine der auffallendsten Merkmale dieser Eis-Dokumentation ist der abrupte Wechsel etwa um 1950 zu einem nahezu eisfreien Regime“, so Ionita und ihre Kollegen.
Seither ist Eis auf der Donau eine absolute Ausnahme: Wie die Forscher berichten, ist die Donau im Zeitraum von 1951 bis 2016 nur zehn Mal zugefroren – das entspricht nur etwa jedem sechsten Winter. „Auch die Zahl der Tage mit einer Eisdecke hat signifikant abgenommen“, so die Wissenschaftler.
Immer wärmere Winter
Was aber ist die Ursache? Um das herauszufinden, haben Ionita und ihre Kollegen regionale und überregionale Wetter-Datenreihen analysiert und auch mögliche Einflüsse natürlicher Klimaschwankungen wie der Nordatlantik-Oszillation mit einbezogen. Auch Veränderungen großräumiger atmosphärischer Strömungen zogen sie in Betracht. Doch es zeigte sich keine Korrelation mit solchen natürlichen Phänomenen, wie sie berichten.
Dafür gab es aber einen Zusammenhang zur langfristigen Klimaentwicklung in Mittel- und Osteuropa. „In Europa hat es bereits Ende der 1940er Jahre einen deutlichen Anstieg der Wintertemperatur gegeben“, berichtet Ionita. „Seitdem sind die Wintermonate in der Regel nicht mehr kalt genug und die Donau und andere große Flüsse können nicht mehr regelmäßig und langanhaltend zufrieren.“ Im Vergleich zu früher sind die Winter in Osteuropa heute im Durchschnitt bis zu 1,5 Grad wärmer als noch im Zeitraum von 1901 bis 1950.
Indikator für den Klimawandel
Hinzu kommt, dass seit den 1980er Jahren auch die Wassertemperatur des Schwarzen Meeres im Winter nicht mehr so stark absinkt. Die Wärme dieses Binnenmeeres trägt dazu bei, dass die Winter im Osten Europas und im Westen Russlands milder und feuchter werden. Und auch der Eintrag von Abwässern und Wärme in den Fluss wirken einer Einbildung entgegen, wie Ionita erklärt: „Der Einfluss des Menschen ist auch hier deutlich zu erkennen.“
Nach Ansicht der Wissenschaftler ist die Eisbedeckung der Flüsse damit ein wichtiger Indikator für die Veränderungen, die die globale und regionale Erwärmung mit sich bringt und noch bringen wird. „Wenn Klimawissenschaftler von Eis und Erderwärmung sprechen, denken die meisten Menschen an die Gletscher Grönlands oder das Meereis auf dem Arktischen Ozean“, sagt Ionita. „Nur wenigen ist wirklich bewusst, dass die Menge des Wintereises auf europäischen Seen und Flüssen ein ebenso wichtiger Indikator für ein sich änderndes Klima ist.“ (Scientific Reports, 2018; doi: 10.1038/s41598-018-26357-w)
(Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, 22.05.2018 – NPO)