Archäologie

Kein Steinzeit-Krieg in Jebel Sahaba?

13.000 Jahre alte Tote im Niltal starben nicht bei einem Massaker oder Kriegszug

Tote
Diese beiden vor mehr als 13.000 Jahren in Jebel Sahaba gemeinsam bestatteten Toten starben durch zwischenmenschliche Gewalt. © Wendorf Archives/ British Museum

Scharmützel statt Krieg: Bisher galt das gut 13.000 Jahre alte Gräberfeld von Jebel Sahaba im Sudan als ältestes Zeugnis eines prähistorischen Krieges. Doch neue Analysen der 61 Toten wecken nun Zweifel daran. Denn viele dieser Menschen wiesen Verletzungen auf, die bei ihrem Tode bereits verheilt waren. Zudem wurden nicht alle zur gleichen Zeit bestattet, wie die Archäologen berichten. Dies spreche gegen ein Massaker oder einen Krieg und für sporadisch auftretende kleinere Konflikte zwischen konkurrierenden Gruppen.

Als in den 1960er Jahren der Assuan-Staudamm im Niltal gebaut werden sollte, ordnete die UNESCO Rettungsgrabungen in dem Gebiet an, in dem das aufgestaute Wasser Teile des Niltals überfluten würde. Dabei entdeckte ein Team unter Leitung des US-Archäologen Fred Wendorf in Jebel Sahaba an der Nordgrenze des Sudan zwei Gräberfelder mit den Überresten von insgesamt 61 vor gut 13.000 Jahren gestorbenen Menschen. Wie Wendorf damals feststellte, wiesen mindestens die Hälfte der Toten deutliche Spuren von Gewalteinwirkung auf, zudem lagen um ihre Gebeine zahlreiche Steinspitzen und -klingen.

Jebel Sahaba
Lage der Toten im Gräberfeld von Jebel Sahaba. © Crevecoeur et al./ Scientific Reports, CC-by-sa 4.0

„Seither wurde diese Fundstätte als Schlüsselbeleg für die Entwicklung von Gewalt und organisiertem Krieg durch territoriale Streitigkeiten angesehen“, erklären Isabelle Crevecoeur von der Universität Bordeaux und ihre Kollegen. Jebel Sahaba galt als frühestes Zeugnis für einen Krieg.

Hiebe, Schläge und Projektile

Ob die Toten von Jebel Sahaba tatsächlich bei einem prähistorischen Krieg ums Leben kamen, haben nun Crevecoeur und ihr Team anhand von Neuanalysen der Funde überprüft. Weil die Gräberfelder heute vom Nassersee überflutet sind, wurden alle in den 1960er Jahren geborgenen Fundstücke ins British Museum in London gebracht und dort aufbewahrt. Die Archäologen untersuchten nun alle Knochen und Steinspitzen noch einmal mit modernen Methoden der Mikroskopie.

Die Ergebnisse bestätigen, dass die Menschen von Jebel Sahaba gewaltsam zu Tode kamen: 41 der 61 Toten zeigen mehrfache und deutliche Indizien für Verletzungen – teilweise durch Schläge und Hiebe, teilweise aber auch durch Projektile wie Pfeile oder Speerspitzen. Viele Tote zeigen zudem deutliche Abwehrverletzungen, darunter vor allem Brüche der Unterarmknochen und Hände. Insgesamt fanden sich Spuren der Gewalt bei drei Vierteln der Erwachsenen und rund der Hälfte der Kinder und Jugendlichen aus Jebel Sahaba, wie die Archäologen feststellten.

Aus diesen Ergebnissen und vor allem den vielen Projektil-Verletzungen schließen die Archäologen, dass diese eiszeitlichen Bewohner des Niltals nicht durch interne Konflikte oder häusliche Gewalt starben, sondern bei Kämpfen zwischen verschiedenen Gruppen.

Viele Wunden waren schon verheilt

Aber war dies auch ein Krieg? Wäre dies der Fall, müssten die Menschen von Jebel Sahaba alle bei einem Kampf oder Massaker gestorben sein. Zudem wären unter den Toten mehr junge, kampffähige Männer zu erwarten. Doch beides ist nicht der Fall: Zum einen waren Männer und Frauen in den Gräbern zu fast gleichen Anteilen vertreten und auch Kinder und Jugendliche lagen dort bestattet. Vorkommen und Häufigkeit der Verletzungsspuren waren zudem unabhängig von Alter und Geschlecht.

Und noch etwas passt nicht zum Kriegsszenario: 16 Tote aus Jebel Sahaba trugen nicht nur Spuren von unverheilten, bei ihrem Tod zugefügten Verletzungen, sondern hatten auch ältere, zu Lebzeiten schon abgeheilte Wunden. Zudem fanden die Archäologen Hinweise darauf, dass nicht alle Toten zur gleichen Zeit begraben wurden – das Gräberfeld wurde mehrfach wieder aufgegraben, um weitere Bestattungen durchzuführen.

Gewalt ja, Krieg nein

Nach Ansicht des Forschungsteams sind die Toten von Jebel Sahaba damit zwar ein Zeugnis für frühe zwischenmenschliche Gewalt, nicht aber für einen organisierten Krieg. „All dies spricht nicht dafür, dass diese Menschen alle bei einem einzigen katastrophalen Ereignis starben“, konstatieren Crevecoeur und ihr Team. „Auf Basis dieser neuen Daten verwerfen wir die Hypothese, nach der Jebel Sahara ein einziges Kriegsereignis widerspiegelt.“

Stattdessen könnten die Menschen von Jebel Sahaba im Laufe ihres Lebens immer wieder kleinere Angriffe und Überfälle durch benachbarte Gruppen erlebt haben. „Unsere Ergebnisse stützen ein Szenario, in dem es sporadische und wiederkehrende Episoden zwischenmenschlicher Gewalt gegeben hat“, so die Forschenden.

Anhaltende Konflikte statt eines großen Massakers

Diese Konflikte könnten entstanden sein, weil starke Klimawechsel am Ende der letzten Eiszeit die Umwelt veränderten und die Ressourcen knapp werden ließen. Dadurch kam es immer wieder zu gewaltsamen Konflikten um Fanggründe oder Siedlungsplätze, bei denen eine Gruppe die andere attackierte oder ihren Siedlungsplatz überfiel. Dabei trugen die Bewohner von Jebel Sahaba immer wieder Verletzungen und Wunden davon, einige starben.

Anders als bei einige tausend Jahre jüngeren Massengräbern, beispielsweise am Turkanasee oder in Hessen, gab es in Jebel Sahaba aber wohl kein Massaker, bei dem die gesamte Gruppe auf einmal ausgelöscht wurde, so die Ansicht des Archäologenteams. Die Toten von Jebel Sahaba sind demnach zwar Opfer  zwischenmenschlicher Gewalt, nicht aber die Toten eines organisierten Krieges oder Massakers. (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-89386-y)

Quelle: CNRS

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