Sie kündigt sich schon von Ferne an: Ein Schwall warmer Luft wirbelt Papierfetzen auf, die Gleise beginnen zu sirren und aus der dunklen Tunnelöffnung schallt ein lauter werdendes Rattern. Dann plötzlich ist sie da: Wie ein orangefarbener, leuchtender Lindwurm rast die U-Bahn in den Bahnhof ein, um schließlich langsam zum Stillstand zu kommen. Schon gehen die Türen auf und Menschen drängeln sich erst hinaus, dann wieder hinein.
In vielen Großstädten ist das U-Bahn-Netz heute kaum mehr wegzudenken. Nicht nur in London oder Paris transportiert es Tag für Tag Tausende von Menschen von und zur Arbeit, bringt Schüler zur Schule oder Rentner zum Einkaufen. Aber wie kommt die Bahn in den Untergrund? Immerhin führen die Tunnel dafür ja nicht unter unbebautem Gelände hindurch, sondern in der Regel mitten durch das Herz der Großstädte. Eine tiefe Baugrube, monate- oder sogar jahrelange Baustellen, gesperrte Straßen oder unterbrochene Versorgungsleitungen kann sich hier niemand leisten. Das Geschäftsleben muss auch während des Baus ungehindert weitergehen können.
Und was hat das mit GEOTECHNOLOGIEN zu tun?
Hier kommen die Ingenieursgeologen und Geotechniker ins Spiel. Sie erforschen – unter anderem im Rahmen des Forschungsprogramms GEOTECHNOLOGIEN immer neue und verbesserte Methoden zur Erschließung des Untergrunds.
So wurden beispielsweise Teile der Düsseldorfer U-Bahn unter einem so genannten „Düsseldorfer Deckel“ gebaut, einer speziellen Betonabdeckung, die schon nach relativ kurzer Zeit die Baugrube abdeckt. Unter ihr könne die Arbeiten „unten“ weitergehen, während „oben“ bereits wieder die Autos fahren. Auf anderen Teilstücke behalfen sich die Tunnelbauer mit einer eher ungewöhnlich anmutenden Idee: Sie nutzten Eis. Mithilfe von Kühlaggregaten verwandelten sie die komplette Deckschicht des späteren Tunnels einfach in einen riesigen Eispanzer.
Lindwurm im Untergrund
Für das neueste U-Bahnprojekt in Düsseldorf allerdings hätte selbst die kurzzeitige Öffnung einer so gewaltigen Baugrube eine zu große Störung bedeutet, die Geotechniker mussten sich daher etwas Neues einfallen lassen. Und das taten sie auch, sie engagierten einen schwergewichtigen „Helfer“, eine Schildbohrmaschine. Normalerweise vor allem bei Durchbohrungen von Bergen wie dem St. Gotthard oder beim Bau von Flusstunneln eingesetzt, sind diese Maschinen darauf spezialisiert, sich ohne direkten Kontakt mit der Oberfläche durch das Gestein des Untergrunds zu graben.
Jetzt sollte zum ersten Mal in Deutschland ein „stählerner Lindwurm“ mit rekordverdächtiger Größe im Dienste des U-Bahnbaus eingesetzt werden. Die 52 Meter lange, gut neun Meter hohe und mehr als 1.100 Tonnen schwere Maschine aus Stahl wurde durch einen kleinen „Startschacht“ in den Untergrund eingelassen und wühlte sich anschließend fünf Monate lang durch die „Unterwelt“ der Stadt. Eine solche Schildbohrmaschine fräst sich nicht nur durch das Gestein, sie verlegt im gleichen Arbeitsgang auch die stabilisierende Betonröhre für den späteren U-Bahn-Tunnel.
Forscher-„Input“ gefragt
Damit eine solche Technologie eingesetzt werden kann, muss allerdings der Untergrund vorher besonders genau untersucht werden. Hier sind Geologen, Statiker, Vermesser, Bodengutachter und die Ingenieure gefragt. Denn einmal gestartet, gibt es für den „Lindwurm“ kein Zurück: Die Maschine hat keinen Rückwärtsgang. Und auch am Endpunkt ihrer Bohrfahrt ist der Tunnelbohrmaschine kein triumphaler „Auszug“ vergönnt: Stattdessen wird das ganze Gerät Teil für Teil wieder auseinandergenommen und aus dem fertigen Tunnel heraustransportiert. Nur das gewaltige Bohrschild kann nicht zerlegt werden und bleibt im Boden.
Doch so beeindruckend die bisherigen Errungenschaften des Tunnelbaus sind, es bleibt noch reichlich Raum für Verbesserungen – eine Aufgabe, der sich die Wissenschaftler jetzt verstärkt im Schwerpunkt „Erkundung, Nutzung und Schutz des unterirdischen Raums“ des Programms GEOTECHNOLOGIEN widmen werden.
(GEOTECHNOLOGIEN/Straßenbauamt Düsseldorf/g-o.de, 09.06.2004 – NPO)