Karte studiert und trotzdem verirrt? Damit dies künftig nicht so schnell passiert, haben Forscher nach Möglichkeiten gesucht, die das Kartenlesen erleichtern und wurden fündig. Wie sie feststellten, helfen schon feine Gitterkreuze in einer Karte unserem Gehirn, eine präzisere Mental Map anzulegen – und das hilft dann bei der Orientierung. Denn typischerweise schleichen sich bei der Karte im Kopf schnell systematische Verzerrungen ein, wie die Forscher im Journal „PLoS ONE“ berichten.
Erste rechts, zweite links, ein Stück geradeaus: Wer sich solche Informationen über einen geplanten Weg aus einer Karte heraussucht, merkt sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht den realistischen Weg. Denn die Karte im Kopf gibt die Wirklichkeit nur verzerrt wieder, das Gehirn merkt sich räumliche Daten nicht immer genau. Allerdings sind diese Verzerrungen oft systematisch: Die meisten Menschen machen dabei die gleichen Fehler.
„Ganz typisch ist zum Beispiel, dass Nutzer nach der Planung eines Weges mit einer Karte Strecken unter- oder überschätzen“, erklärt Seniorautor Frank Dickmann von der Ruhr-Universität Bochum. „Oder dass sie meinen, sie müssten ziemlich rechtwinklig abbiegen, auch wenn das gar nicht stimmt.“ Diese systematischen Fehler zu kennen, gibt Kartographen die Chance, Karten an diese menschlichen Eigenheiten anzupassen und sie so lesbarer zu machen.
Kartenlesen für die Forschung
Dennis Edler und seine Kollegen von der Ruhr-Universität Bochum haben nun eine verblüffend simple Methode gefunden, wie sich das Kartenlesen erleichtern lässt: Es reicht, bestimmte kartographische Elemente einzufügen und andere stärker zu betonen. Dazu gehören etwa künstliche Gitterlinien oder das Akzentuieren vorhandener Kartenelemente wie Straßen. „Diese Elemente tragen zur visuellen Strukturierung der Karteninhalte bei, selbst wenn sie optisch nur in sehr zurückgenommener Form in den Karten enthalten sind, zum Beispiel als feine Gitterkreuze“, erklärt Studienleiter Frank Dickmann.
Dass das funktioniert, belegt ein Experiment. Dabei zeigten die Forscher 144 Probanden jeweils eine Minute lang eine Karte, in der sechs Orte markiert waren. Anschließend sollten die Teilnehmer diese sechs Orte in die gleiche Karte ohne die Markierungen eintragen. Dieses Prozedere wurde mit 15 Karten wiederholt, von denen einige Gitternetze aus feinen oder gepunkteten Linien trugen, andere nur feine Gitterkreuze und wieder andere gar kein Raster.
Gitterkreuze helfen unbemerkt
Das Ergebnis: Am schlechtesten konnten sich die Probanden die genaue Position der Orte merken, wenn es gar kein Raster auf der Karte gab. Sehr viel besser klappte dies mit den feinen Gitternetzlinien. Aber zum Erstaunen der Forscher reichten selbst die ziemlich unauffälligen Gitterkreuze schon aus, um die Orientierung der Teilnehmer signifikant zu verbessern.
Obwohl die Probanden sich auf Nachfrage gar nicht an die Kreuze erinnern konnten, halfen sie offenbar beim Merken der räumlichen Informationen. „Darüber hinaus konnten wir nachweisen, dass die Versuchspersonen sogar Ortsnamen deutlich besser behalten können, wenn Gitterlinien in Karten eingetragen sind“ erklärt Dickmann.
Suche nach Wirkzusammenhängen
Ziel eines DFG-Folgeprojektes ist es nun, Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung von Karteninformation und der Ausprägung einer möglichst vollständigen und genauen „mental map“ zu erkennen. Die Forscher versuchen, durch die Blickbewegungsmessung Erkenntnisse über die Prozesse zu gewinnen, die diesen Effekten zugrunde liegen. In einer Reihe von Experimenten wollen sie etwa klären, ob Kartennutzer während des Enkodierens von Karteninhalten auf Gitterlinien selbst fokussieren oder ob diese Elemente eher am Rande wahrgenommen werden.
Solche Erkenntnisse tragen unmittelbar dazu bei, die Entstehungsbedingungen von räumlichen Hierarchisierungen besser verstehen und steuern zu können. „Informationen hierüber sind entscheidend für die praktische Kartenkonstruktion, das heißt die kartographische Ausgestaltung und Anordnung von Gitterlinien, Gitterkreuzen oder sonstigen Strukturelementen im Rahmen der Kartenkommunikation“, erläutert Dickmann. (PloS One, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0098148)
(Ruhr-Universität Bochum, 26.11.2014 – NPO)