Klimaforscher sehen Anzeichen dafür, dass das Eisschild der West-Antarktis – eines der Kipp-Elemente im Klimasystem – bereits instabil zu werden beginnt. Ein „Kippen“ und damit der Zerfall dieser Eismassen könnte den Meeresspiegel um zusätzliche 1,5 Meter ansteigen lassen. Im Fachmagazin „Climatic Change“ bewertete ein internationales Wissenschaftlerteam erstmals den aktuellen Zustand von sechs potenziell instabilen Regionen im Klimasystem, die große direkte Auswirkungen auf Europa haben können.
Der Begriff ‚Kipp-Elemente’ ist dadurch definiert, dass kleine äußere Störungen eine starke Reaktion auslösen. Die Wahrscheinlichkeit des Kippens solcher Elemente im Klimasystem steigt mit dem Anstieg der globalen Mitteltemperatur, als Folge des von Menschen verursachten Ausstoßes von Treibhausgasen. Die Veränderung dieser Elemente kann dabei selbstverstärkend und unumkehrbar sein, ist es aber nicht immer. Jetzt haben sich zum ersten Mal Experten für die verschiedenen möglichen Kipp-Elemente als Ko- Autoren zusammengetan, um gemeinsam einen Überblick zum Stand des Wissens über sogenannte klimatische Übergänge zu geben.
Antarktisches Eisschild schon „gekippt“?
Die Ergebnisse sind teilweise alarmierend: So stufen die Forscher das Eisschild der West-Antarktis als ein mögliches Kipp-Element im Klimasystem ein, das teils bereits gekippt sein könnte. Sie schließen nicht aus, dass die Eismassen nahe der antarktischen Amundsen See bereits instabil zu werden beginnen. Solch ein teilweiser Abbruch des westantarktischen Inlandeises wäre aber gleichbedeutend mit einem zusätzlichen Meeresspiegelanstieg von 1,5 Meter, wie vorherige Forschungen zeigen.
Selbst wenn der vollständige Zerfall des Eisschildes der Westantarktis hunderte von Jahren dauern würde, wären die Auswirkungen erheblich. Zusätzlich zum globalen Meeresspiegelanstieg durch das Schmelzwasser würde auch die Anziehungskraft in Richtung des Südpols verringert – wo die Masse schrumpft, wird auch die Gravitation weniger. Hierdurch könnte der Meeresspiegelanstieg in Europa sogar noch verstärkt werden. Die meisten der dortigen Deiche können jedoch um nicht mehr als einen Meter erhöht werden, so die Studie. Danach muss das Hinterland verändert werden.