Die Klimaerwärmung macht vor nichts Halt – auch nicht vor dem Grundwasser. Dessen Temperatur steigt mit leichter Verzögerung genauso an, wie sich die Atmosphäre erwärmt. Dies zeigen Langzeitmessungen, die ein internationales Forscherteam nun ausgewertet hat. Die Konsequenzen für die Ökosysteme im Untergrund sind jedoch schwer vorherzusehen, so die Wissenschaftler.
Die Erdatmosphäre hat sich in den vergangenen 50 Jahren um durchschnittlich 0,13 Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt, und auch die Temperatur der Meere steigt an. Die Klimaerwärmung betrifft jedoch nicht nur die Atmosphäre und die Ozeane, sondern auch den Untergrund, wie Bohrungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten weltweit nachgewiesen haben. Allerdings betrachteten die Forscher meist nur Böden, in denen keine Grundwasserströme vorkommen.
Um diese Lücke zu schließen, haben Forscher um Peter Bayer von der ETH Zürich nun Langzeit-Temperaturmessungen des Grundwassers ausgewertet. Für ihre Studie konnten sie auf lückenlose Messreihen der Grundwasserströme um die Städte Köln und Karlsruhe zurückgreifen. Die Betreiber der dortigen Wasserwerke messen seit 40 Jahren unter anderem auch die Temperatur des vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Grundwassers – ein seltener Glücksfall für die Wissenschaftler, denn solche Daten zeichnen Wasserwerke nur selten über längere Zeiten auf, wenn überhaupt.
Gedämpftes Abbild der Atmosphären-Temperatur
Anhand der Messwerte erkannten die Forscher, dass sich das Grundwasser nicht nur erwärmt, sondern die in der Atmosphäre beobachteten Erwärmungsschritte nachvollzieht. Genau wie die Atmosphäre zeigt auch das Grundwasser mehrere, in unregelmäßigen Zeitabständen erfolgte Temperatursprünge. „Die Erderwärmung wird im Grundwasser direkt abgebildet, wenn auch gedämpft und mit einer gewissen Zeitverzögerung“, fasst Bayer zusammen. Es habe ihn überrascht, wie schnell das Grundwasser auf den Klimawandel reagiert habe, sagt Bayer.
Die Daten zeigen auch, dass sich das bodennahe Grundwasser bis in eine Tiefe von rund 60 Metern in den vergangenen 40 Jahren im Zuge der Klimaerwärmung deutlich erwärmt hat. Dieser Temperaturanstieg folgt dem Muster der Erwärmung des örtlichen und regionalen Klimas. Dieses wiederum spiegelt seinerseits den globalen Trend.
Dass sich der natürliche Grundwasserstrom im Zuge des Klimawandels ebenfalls erwärme, sei plausibel, so Bayer weiter. „Das Temperaturungleichgewicht zwischen Atmosphäre und Untergrund gleicht sich natürlicherweise aus.“ Wasser spielt dabei eine besondere Rolle: Wie in einem Wärmetauscher führt das Grundwasser Wärme mit und verbreitet sie im Boden.
Konsequenzen schwer abzuschätzen
Die Konsequenzen dieses Prozesses sind nur schwer abzuschätzen: Möglicherweise beeinflussen die wärmeren Temperaturen einerseits unterirdische Ökosysteme, andererseits die Lebensräume, die vom Grundwasser abhängen. Dazu gehören kalte Bereiche in Fließgewässern, wo der Grundwasserstrom zu Tage tritt. Für kälteliebende Lebewesen wie manche Fische könnte das wärmere Grundwasser negative Folgen haben.
Außerdem könnten Bakterien bei steigenden Wassertemperaturen schneller wachsen. Wird das Grundwasser wärmer, könnten sich unerwünschte Bakterien wie Erreger von Magen-Darm-Erkrankungen besser vermehren. Höhere Grundwassertemperaturen beeinflussen auch chemische Prozesse im Wasser, insbesondere die Gleichgewichte von Nitrat oder Karbonat. Bei höheren Temperaturen laufen chemische Reaktion meist schneller ab, und die Löslichkeit der meisten Stoffe ändert sich.
Die Wissenschaftler können sich aber auch positive Effekte vorstellen: „So könnte der Wärmeüberschuss des Grundwassers geothermisch genutzt werden“, ergänzt Erstautorin Kathrin Menberg von der ETH Zürich. (Hydrology and Earth System Sciences, 2014; doi: 10.5194/hess-18-4453-2014)
(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 12.11.2014 – AKR)