Beispielloser Wandel: Das Hochdruckgebiet über den Azoren hat sich in den letzten 100 Jahren anomal vergrößert – mit dramatischen Folgen für das Klima Europas. Denn das Hoch bringt im Sommer vermehrt heiße, trockene Luft und blockiert den Winterregen in weiten Teilen Westeuropas. Der aktuelle Wandel beim Azorenhoch sei beispiellos in den letzten tausend Jahren, berichten die Forschenden im Fachmagazin „Nature Geoscience“. Als primäre Ursache für die Expansion des Azorenhochs identifizieren sie den anthropogenen Klimawandel.
Das Wetter in Europa wird von zwei konkurrierenden Drucksystemen über dem Atlantik bestimmt, dem Islandtief und dem Azorenhoch. Von ihrer Lage, Größe und dem Druckgradienten hängt es ab, ob trockene, warme Luftmassen nach Europa strömen oder aber die regenreichen Wirbel atlantischer Tiefdruckgebiete. Ist das Azorenhoch stark ausgeprägt und reicht weit nach Nordosten, blockiert es den Tiefdruckgebieten den Weg nach West- und Mitteleuropa. Im Sommer bringt dies heißes, trockenes Wetter, im Winter bleibt dadurch der vor allem für die Iberischen Halbinsel wichtige Winterregen aus.
Torhüter für Europas Niederschläge
„Das Azorenhoch ist damit ein effektiver Torhüter für Niederschläge auf dem europäischen Kontinent“, erklären Nathaniel Cresswell-Clay von der Woods Hole Oceanographic Institution in den USA und seine Kollegen. Doch in den letzten Jahrzehnten beobachten Meteorologen, dass vor allem im Winter immer weniger Regen auf der Iberischen Halbinsel ankommt. Als Folge leiden Spanien und Portugal unter verstärkter Trockenheit und Waldbrände nehmen zu.
Um herauszufinden, welche Rolle das Azorenhoch dafür spielt, haben Cresswell-Clay und sein Team die Entwicklung dieses wetterbestimmenden Hochdrucksystems in den letzten rund 1.200 Jahren rekonstruiert. Dafür werteten sie Wetterdaten aus und rekonstruierten die Größe, Intensität und Ausdehnung des Azorenhochs sowie das Wetter in Westeuropa mithilfe von sechs verschiedenen Klimamodellen.
„Veränderung sind beispiellos“
Das Ergebnis: „Das Azorenhoch hat sich im letzten Jahrhundert dramatisch verändert“, berichten die Forschenden. Demnach ist die durchschnittliche Fläche dieses Hochdrucksystems seit etwa 1850 allmählich angewachsen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts treten Phasen extremer Ausdehnung des Azorenhochs immer häufiger auf. Seit 1980 hat sich dieser Trend noch einmal verschärft: In den letzten 25 Jahren gab es im Schnitt 6,4 Winter mit einem extrem vergrößertem Azorenhoch, in den 25-Jahres-Perioden davor waren es nur 2,6.
„Diese Veränderungen im Nordatlantischen Klima sind beispiellos in den letzten tausend Jahren“, konstatieren Cresswell-Clay und seine Kollegen. Wie ihre Analysen belegen, geht diese Flächenzunahme des Azorenhochs über natürliche Klimaschwankungen hinaus. „Unsere Resultate belegen, dass diese Ausdehnung von externen Klimafaktoren getrieben wird und dass der einzige Faktor, der dieses Verhalten produzieren kann, der Anstieg der atmosphärischen Treibhausgas-Konzentrationen ist“, schreiben die Forschenden.
Immer weniger Regen für die Iberische Halbinsel
Die Folge ist vor allem am Wetter Spaniens und Portugals deutlich erkennbar: „Beobachtungen belegen, dass anomal große Azorenhochs im Schnitt 33 Prozent weniger Winterregen an die Westküste der Iberischen Halbinsel bringen“, berichtet das Team. Denn mit der Vergrößerung des Azorenhochs verknüpft ist der zunehmende Einstrom von trockener Höhenluft nach Europa und eine Verlagerung der Sturmbahnen über dem Nordatlantik.
Dadurch wird die bisher am Südrand des Azorenhochs nach Südwesteuropa und in den Mittelmeerraum strömende feuchte Luft blockiert und umgelenkt. „Die zunehmend häufigeren Winter mit extrem ausgedehntem Azorenhoch stimmen daher gut mit der immer stärkeren Trockenheit während der industriellen Ära überein“, erklären Cresswell-Clay und seine Kollegen.
Für die Zukunft könnte dies bedeuten: Solange der Klimawandel die Ausdehnung des Azorenhochs antreibt, wird dies auch das Klima Europa immer stärker beeinflussen. Winterliche Regenfälle könnten noch spärlicher ausfallen, heiße Sommerdürren sich häufen. Die lange für Westeuropa typischen regenreichen Winter werden hingegen immer seltener, so die Prognose. (Nature Geoscience, 2022; doi: 10.1038/s41561-022-00971-w)
Quelle: Nature Geoscience