Klima

Klima: Schwebstoffe kühlen weniger als gedacht

Ein Großteil der Sulfat-Aerosole entsteht anders als gedacht und sinkt schnell wieder zu Boden

Die Messstation auf dem Schmücke-Berg im Thüringer Wald ermöglicht eine bodengestützte integrierte Untersuchung, wie Aerosole und Wolken miteinander wechselwirken. © Stephan Mertes/ TROPOS

Die Kühlungswirkung von schwefelhaltiger Schwebstoffe in der Atmosphäre ist geringer als bisher angenommen: Denn ein Großteil dieses Schwefeldioxids entsteht durch einen jetzt neu entdeckten Reaktionsweg an größeren Staubteilchen. Dadurch aber sinken die kühlenden Aerosole relativ schnell zu Boden. Die Kühlwirkung dieser Schwebstoffe könnte daher in den gängigen Klimamodellen überschätzt worden sein, berichten die Forscher im Fachmagazin „Science“.

Als Kondensationskeime sind Aerosolpartikel ein wichtiger Ausgangspunkt für die Bildung von Wolken. Luftfeuchtigkeit lagert sich an ihnen an, und es entstehen kleine Tropfen, die schließlich zu Wolken werden. Eines der Aerosole entsteht aus schwefelhaltigen Abgasen und wird auch bei Vulkanausbrüchen in die Atmosphäre geschleudert: Schwefeldioxid. In den Wolken entstehen aus diesem Gas Sulfat-Aerosolpartikel, die das Sonnenlicht reflektieren und die Wolkenbildung fördern. Sie sind deshalb ein wesentlicher Bestandteil vieler Klimamodelle.

Proben aus gerade entstehender Wolke

Bisher ging man davon aus, dass diese Schwebteilchen durch eine Reaktion des Schwefeldioxids mit Wasserstoffperoxid, Ozon und dem Hydroxyl-Radikal OH entstehen. Eliza Harris vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und ihre Kollegen haben nun nachgeprüft, ob dies wirklich der einzige Entstehungsweg ist – mit überraschenden Ergebnissen. Für ihre Studie beobachteten die Forscher die chemischen Prozesse innerhalb einer Wolke, die sich während ihrer Bildung an einem Berg aufstaute.

Mit Hilfe einer Messstation auf dem Kamm des Schmücke-Bergs im Thüringer Wald nahmen sie Luftproben, während die Wolke über die Station hinweg wanderte: Vor dem Eintauchen in die Wolke, während des Aufenthalts in der Wolke und nachdem sie die Wolke wieder verlassen hatten. Die Proben wurden anschließend mit Hilfe der NanoSIMS-Ionensonde, eines besonders hochempfindlichen Massenspektrometers, auf die chemische und isotopische Zusammensetzung hin untersucht. „Die relativen Reaktionsraten von Isotopen sind wie Fingerabdrücke, die verraten, auf welchem Weg das Sulfat aus dem Schwefeldioxid entstanden ist“, erklärt Harris ihre Untersuchungsmethode.

Über den Wipfeln des Thüringer Waldes nahmen die Wissenschaftler Proben aus den Wolken. © Tilo Arnhold/ TROPOS

Bildung an großen Partikeln, die schnell zu Boden sinken

Die Ergebnisse zeigen, dass der wichtigste Weg der Sulfatbildung in den meisten Klimamodellen bisher offenbar übersehen wurde. Den Messungen zufolge entstehen Sulfate in Wolken am häufigsten über die Oxidation von Schwefeldioxid mit Sauerstoff. Diese Reaktion wird durch sogenannte Übergangsmetall-Ionen, wie Eisen, Mangan, Titan oder Chrom, katalysiert. Zudem traten die Sulfate meistens in Wolkentropfen auf, die sich auf großen Mineralstaubpartikeln, den wichtigsten Lieferanten der Übergangsmetall-Ionen, gebildet hatten. Sehr viel seltener war der bisher bekannte Reaktionsweg über Wasserstoffperoxid und Ozon.

„Als meine Kollegen und ich mit diesem Ergebnis auf die grundlegenden Annahmen der Klimamodelle blickten, waren wir sehr erstaunt. Denn nur eines von zwölf Modellen berücksichtigt die Rolle der Übergangsmetall-Ionen bei der Sulfatbildung“, so die Wissenschaftlerin, die mittlerweile am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA arbeitet. Das aber hat Bedeutung auch für die Einschätzung der Klimawirkung der Aerosole. Denn Sulfat, das durch Übergangsmetallionen gebildet wird, entsteht an der Oberfläche relativ großer Mineralstaubpartikel. Aufgrund ihrer Größe fallen sie – bedingt durch die Schwerkraft – schneller wieder nach unten. Somit könnte der Zeitraum, in dem sie sich kühlend auf das Klima auswirken können, kürzer sein als bisher vielfach angenommen wurde.

Deutlicher Effekt in China und Indien

Harris geht deshalb davon aus, dass die bisherigen Prognosen die kühlenden Eigenschaften der Sulfat-Aerosole auf das Klima überschätzen. Bisher lässt sich jedoch noch nicht quantifizieren, welche Auswirkungen die Entdeckung auf die Klimaprognosen haben wird. Zukünftige Modelle sollten die TMI-Katalyse allerdings als wichtigen Reaktionsweg der SO2-Oxidation berücksichtigen, so die Forscherin.

Zwar schätzt sie die Auswirkungen auf die Klimaprognosen für europäische Regionen als eher gering ein, da hier nur wenig Mineralstaub in der Luft vorliege und der Schwefeldioxidausstoß kontinuierlich auf dem Rückzug sei. „In Indien und China jedoch, wo mit steigenden SO2-Emissionen in der Zukunft zu rechnen ist und zudem erheblich mehr Staub in der Luft ist, könnte sich ein deutlicherer Effekt abzeichnen“, vermutet sie. Weitere Studien werden es zeigen. (Science, 2013; doi: 10.1126/science.1234145)

(Max-Planck-Institut für Chemie, 10.05.2013 – NPO)

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