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Klima: Wie Rückkopplungen die Krise verschärfen

Bestandsaufnahme listet 41 größtenteils positive Feedbackschleifen im Erdsystem

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Das Klimasystem der Erde ist durch zahlreiche Rückkopplungen geprägt. © 3dsculptor/ Getty imagea

Potenzierte Bedrohung: Die bisher umfassendste Bestandsaufnahme von Klima-Rückkopplungen im Erdsystem enthüllt nichts Gutes. Denn unter den 41 identifizierten Wechselwirkungen wirken 26 verstärkend auf den Klimawandel, acht weitere haben unklare Effekte, wie die Forschenden in „Science Advances“ berichten. Weil viele dieser positiven Rückkopplungen in Klimamodellen nur in Teilen berücksichtigt sind, könnte die globale Erwärmung in Zukunft noch stärker ausfallen als angenommen – was einen raschen Klimaschutz noch dringlicher macht.

Das Klimasystem der Erde beruht auf einem fragilen Gleichgewicht unzähliger miteinander vernetzter Einflussfaktoren und Kippelemente. Einige dieser Faktoren wirken durch ihre negative Rückkopplung klimastabilisierend, wie die chemische Verwitterung oder das bei steigenden CO2-Werten zunehmende Pflanzenwachstum. Andere verstärken die Erwärmung durch eine positive Rückkopplung, darunter das schmelzende Meereis oder der auftauende Permafrost.

positive Rückkopplung
Ein klassisches Beispiel für eine positive Rückkopplung im Klimasystem ist der Zusammenhang von Bränden, CO2-Ausstoß und Temperaturanstieg. © Chris Wolf, William Ripple/ Peter Buschmann

Bestandsaufnahme der Feedbackschleifen

Das Problem: Während einige positive Rückkopplungen im Klimasystem altbekannt und gut erforscht sind, gilt dies lange nicht für alle. „Es ist schwierig, die komplexen Feedback-Verbindungen im Erdsystem akkurat zu modellieren“, erklären William Ripple von der Oregon State University und seine Kollegen. Deshalb lassen sich entscheidende Parameter wie die Klimasensitivität – die Wirkung des CO2-Anstiegs auf die Erdtemperatur – bisher nur als Spanne angeben.

Um das zu ändern, haben Ripple und sein Team nun eine neue Bestandsaufnahme der Rückkopplungen im irdischen Klimasystem durchgeführt. „Unseres Wissens nach ist dies die bisher umfassendste Liste der klimatischen Feedbackschleifen“, sagt Ripple. Besonderes Augenmerk legten die Forschenden dabei auf biologische Rückkopplungen, über die irdische Lebenswelt Einflüsse auf das Klimasystem ausübt. Gerade sie seien bisher unzureichend charakterisiert.

41 Rückkopplungen, davon 26 positiv

Das Ergebnis ist eine Liste von insgesamt 41 Rückkopplungen im Klimasystem – 20 abiotischen und 21 von biologischen Faktoren geprägten Wechselwirkungen. Von diesen Feedbackschleifen sind 26 klar positiv und wirken verstärkend auf die Erwärmung, wie die Forschenden berichten. Dazu gehören neben vielen bekannten abiotischen Faktoren auch einige weniger bekannte biologische Rückkopplungen. „Diese haben bisher relativ wenig Aufmerksamkeit bekommen und werden oft unter ’sonstige Feedbackmechanismen‘ zusammengefasst“, so Ripple und seine Kollegen.

Ein Beispiel dafür ist die vermehrte Freisetzung von CO2 und Stickoxiden durch Mikroben in sich erwärmenden Feuchtgebieten und Böden. Eine andere positive biologische Rückkopplung ist die schwindende Vegetation in überfluteten Küstengebieten: Fallen diese Pflanzen weg, fehlt auch ihre Pufferwirkung als CO2-Senken. Ähnliches gilt für die fortschreitende Desertifikation, durch die die Vegetation ebenfalls abnimmt.

Miteinander gekoppelte Teufelskreise

Verschärfend kommt hinzu, dass viele dieser positiven Rückkopplungen miteinander verknüpft sind. Wird eine dieser Feedbackschleifen getriggert, löst dies einen Kaskadeneffekt aus, durch den auch andere positive Rückkopplungen aktiv werden. So sind Waldbrände, Permafrost und die Kohlenstoffbindung in Böden eng miteinander verknüpft. Unter anderem deshalb setzen beispielsweise die anhaltenden Tundrabrände in der Arktis besonders viel Treibhausgase frei und begünstigen auch längerfristige Emissionen.

„Klimamodelle könnten das sich beschleunigende Fortschreiten der Erwärmung unterschätzt haben, weil sie diese starken und miteinander verknüpften Feedbackschleifen nicht in vollem Umfang berücksichtigen“, sagt Ripples Kollege Christopher Wolf. Zwar seien aktuelle Klimamodelle in dieser Hinsicht schon deutlich besser als frühere, aber hier sei trotzdem noch mehr Forschung nötig.

Stabilisierende „Gegenspieler“ nicht stark genug

Allerdings listet die Bestandsaufnahme des Forschungsteams auch acht Rückkopplungen mit unklarem Effekt und sieben Feedbackschleifen, die eine stabilisierende Wirkung auf das Klima haben. Noch unklar oder in beide Richtungen wirkend ist beispielsweise der Klimaeffekt einiger Aerosole und der sich verändernden Meeresströmungen und marinen Lebenswelt. Auch der Einfluss von Ozon auf das Klima ist bisher erst in Teilen geklärt.

Zu den Helfern gegen den Klimawandel gehören dagegen neben der chemischen Verwitterung und dem Düngeeffekt des CO2 auch das Ergrünen der Sahelzone, die von zunehmenden Niederschlägen profitiert. Allerdings reicht die abkühlende oder CO2-bindende Wirkung dieser „Gegenspieler“ nach Einschätzung der Forschenden nicht aus, um die Folgen der positiven Rückkopplungen auszugleichen.

„Wir müssen handeln“

Die Wissenschaftler sehen in diesen Erkenntnissen einen weiteren Grund, die Klimaforschung weiter voranzutreiben und einen effektiven Klimaschutz umzusetzen. „Um diese Herausforderungen sowohl kurz- als auch langfristig zu bewältigen, benötigen wir einen transformativen, sozial gerechten Wandel im globale Energiesystem und im Verkehr, bei der Luftverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion, im Naturschutz und in der internationalen Wirtschaft“, sagt Ripple.

Um den Klimawandel und seine Auswirkungen komplett und schnell zu stoppen, sei es bereits zu spät. „Aber wenn wir effektive Schritte unternehmen, könnte es noch möglich sein, die schlimmsten Folgen zu begrenzen“, so der Forscher. (One Earth, 2023; doi: 10.1016/j.oneear.2023.01.004)

Quelle: Oregon State University

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