Ein 20 Zentimeter großer Tropfstein aus dem Tuxer Tal in Tirol könnte ein Indikator dafür sein, dass die gegewärtige Klimaerwärmung keine so ungewöhnliche Entwicklung darstellt, wie viele Wissenschafter annehmen. Das steinerne Klimaarchiv zeigt, dass die Temperaturen in Mitteuropa im Mittelalter ähnlich hoch lagen wie heute.
Die Arbeitsgruppe von Christoph Spötl, Professor am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck, arbeitet seit einigen Jahren intensiv an einem viel versprechenden „Klima-Archiv“: Tropfsteine in alpinen Höhlen. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Augusto Mangini von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften konnte jüngst gezeigt werden, dass im zentralalpinen Raum die Temperaturen während des Mittelalters ähnlich hoch waren wie heute, unterbrochen durch eine markant kühlere Phase zwischen etwa 1400 und 1850, bekannt als die „Kleine Eiszeit“.
Schon einmal ähnliche Klimaerwärmung?
Diese Ergebnisse beeinflussen die intensive internationale Diskussion um die Klimaerwärmung außerordentlich. Es geht um die Frage: Ist die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Messinstrumente nachgewiesene globale Erwärmung eine einmalige Erscheinung oder gab es ähnliche markante Temperaturänderungen in den vergangenen 1.000 bis 2.000 Jahren, die natürlichen Ursprungs sein müssen?
Bisherige Schwierigkeiten waren, dass die zu detektierende Signale klein waren. Die Temperatur-Amplitude der letzten 2.000 Jahre hat ein bis zwei Grad Celsius nie überschritten. Instrumentelle Messserien der Lufttemperatur gibt es vereinzelt erst seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ein globales Messnetz existiert erst etwa seit 100 bis 150 Jahren. Für die Zeiten davor müssen indirekte Indikatoren, so genannte „proxies“ herangezogen werden. Das sind beispielsweise Daten aus See-Sedimenten, Baumringe, Eiskerne und seit wenigen Jahren auch Tropfsteine aus Höhlen.
Tropfstein als Klimaindikator
Wesentliche Informationen über das Klima vergangener Jahrhunderte barg ein 20 Zentimeter großer Tropfstein (Stalagmit) aus der größten Höhle Tirols. Die rund zehn Kilometer lange Spannagel Höhle liegt auf rund 2.500 Metern Seehöhe im Tuxer Tal.
„Tropfsteine „wachsen“ Jahrtausende lang und speichern in ihrer chemischen Zusammensetzung wertvolle Umwelt- und Klimainformation“, erklärt Spötl. Den Forschern gelang es, durch eine Kombination von verschiedenen Isotopenmethoden, eine zeitlich hochaufgelöste Temperaturkurve der letzten 2.000 Jahre zu erstellen. Dazu wurden im Labor für Stabile Massenspektrometrie am Institut für Geologie und Paläontologie der Uni Innsbruck Einzelmessungen im Abstand von 0,1 Millimeter durchgeführt. Das entspricht einer zeitlichen Auflösung von etwas mehr als einem Jahr.
Die Untersuchung – in der jüngsten Ausgabe von „Earth and Planetary Science Letters“ veröffentlicht – hat bereits großes Interesse in Fachkreisen ausgelöst, da präzise datierte Klimakurven anorganischer „Archive“ rar sind und die Alpen bekanntlich auf Klimaänderungen sensitiver reagieren als die umgebenden Flachländer.
(Universität Innsbruck, 26.07.2005 – NPO)