Klima

Klimawandel: Droht ein Domino-Effekt?

Positive Rückkopplungen könnten das Erdklima schon bei zwei Grad Erwärmung destabilisieren

Droht unser Planet zur "Treibhaus-Erde" zu werden? © bischy/ iStock.com

Fatale Rückkopplung: Das Erdklima ist möglicherweise labiler als bisher gedacht. Denn schon eine relativ geringe Erwärmung könnte eine Kaskade von positiven Rückkopplungen auslösen, die das Klima irreversibel destabilisiert, warnen Klimaforscher. Die Folge wäre ein „Umkippen“ des irdischen Klimasystems zu einer „Treibhaus-Erde“ – einem Klimaregime, in dem die Erwärmung sich selbst verstärkt und kaum mehr aufzuhalten ist.

Das Klima der Erde beruht auf einem sensiblen Gleichgewicht vieler Faktoren. Ihm verdanken wir es, dass sich die noch für die Eiszeit typischen Schwankungen seit der letzten Kaltzeit vor rund 12.000 Jahren beruhigt haben. Seither leben wir in einem für die letzten 1,2 Millionen Jahre ungewöhnlich stabilen, milden Klima. Erst dieser stabilen Phase könnten wir es verdanken, dass sich die menschliche Zivilisation so rapide und weit entwickeln konnte.

Kipppunkte als Stellschrauben

Doch die stabile Phase ist anfällig für Störungen. Schon vor einigen Jahren haben Klimaforscher sogenannte Kipppunkte identifiziert – Stellschrauben im Klimasystem, die bei Überschreiten einer Schwelle irreversibel in einen anderen Zustand „umkippen“. Positive Rückkopplungen sorgen dann dafür, dass beispielsweise das Abtauen des Permafrosts, die Freisetzung von Methanhydrat aus dem Meeresgrund oder das Abschwächen der Umwälzpumpe im Nordatlantik unaufhaltsam und unumkehrbar weitergehen werden – egal was wir tun.

Das Problem jedoch: Wo die kritischen Schwellenwerte dieser Kipp-Elemente liegen und wie sich gegenseitig beeinflussen, ist bisher nur teilweise bekannt. Einige davon, darunter das Abschmelzen des Eises in der Westantarktis, könnten aber schon jetzt überschritten sein, wie Klimaforscher vermuten. Diese Prozesse sind damit schon jetzt unumkehrbar.

Wie stabil das Klima noch sein wird, wenn die Menschheit es schafft, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, haben nun Will Steffen vom Stockholm Resilience Centre der Universität Stockholm und sein Team mithilfe von Simulationen untersucht.

Kaskade von fallenden Dominosteinen

Das alarmierende Ergebnis: Kipppunkte und positive Rückkopplungen könnten unser Klima schneller und stärker destabilisieren als bisher angenommen. Denn wie die Forscher feststellten, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass „umkippende “ Kippelemente sich gegenseitig aus der Balance bringen – wie eine Kaskade von umfallenden Dominos. „Ist ein Dominostein umgekippt, ist es schwer bis unmöglich zu verhindern, dass auch die ganze Reihe umfällt“, erklärt Steffens Kollege Johan Rockström.

Die Anfangssteine könnten dabei die Kippunkte bilden, die bereits auf eine relativ geringe Erhöhung der globalen Temperaturen reagieren, wie das Schmelzen des westantarktischen und grönländischen Eisschilds und des arktischen Meereises. Weil dies über positive Rückkopplungen die Erwärmung weiter anheizt, könnte dies dann Kipppunkte mit etwas höheren Schwellenwerten „mitreißen“, wie die atlantische Umwälzpumpe oder die Pufferwirkung des Südozeans für das globale CO2.

Eine neue „Heißzeit

Das aber bedeutet: Ist eine solche Kaskade einmal ausgelöst, könnte dies das Erdklima so verändern, dass es aus seiner stabilen Phase katapultiert wird. „Die Kaskadenereignisse könnten das Erdsystem in einen ganz neuen Modus bringen“, sagt Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Dieser Modus wäre dann eine Art „Treibhaus-Erde“ – eine Warmzeit, wie sie unser Planet seit Jahrmillionen nicht mehr erlebt hat.In dieser könnten vier bis fünf Grad höhere Temperaturen herrschen und der Meeresspiegel läge um zehn bis 60 Meter höher als heute.

Doch ab wann droht diese fatale Kaskade? „Unserer Analyse nach können wir nicht ausschließen, dass diese Kaskade von Rückkopplungen selbst bei Erreichen des Zwei-Grad-Klimaschutzziels von Paris bereits startet – und dann das Erdsystem irreversibel auf einen „Treibhaus-Erde“-Pfad schiebt“, so die Forscher. Denn schon bei zwei Grad Erwärmung könnten einige Schwellenwerte von entscheidenden Kipppunkten erreicht werden. Das wiederum könnte ausreichen, um die Kette der positiven Rückkopplungen in Gang zu setzen.

„Das Risiko sollten wir ernstnehmen“

„Wir glaubhaft ist diese Analyse? Es gibt signifikante Belege von verschiedenen Quellen, dass das Risiko einer planetaren Schwelle ernstgenommen werden sollte“, konstatieren die Forscher. Der Blick in die Klimageschichte zeige, dass bestimmte Prozesse wärmesensible Kippunkte bilden und dass die Erde auch in der Vergangenheit schon Treibhaus-Phasen erlebt habe. „Die Forschung muss sich daran machen, dieses Risiko schnellstmöglich besser abzuschätzen“, sagt Schellnhuber.

Gleichzeitig sei es nötig, schnell und deutlich gegenzusteuern. Denn momentan hat die globale Erwärmung bereits ein Grad erreicht und die globalen Mitteltemperaturen steigen um 0,17 Grad pro Dekade. Wird nichts getan, erreichen wir zwei Grad Erwärmung schon in weniger als 60 Jahren. „Um dieses Szenario zu vermeiden, ist es notwendig, das menschliche Handeln in eine neue Richtung zu lenken, von der Ausbeutung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Erdsystem“, betont Steffen.

Konkret bedeute dies, dass neben einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen auch die Klimapuffer des Erdsystems besser geschützt und regeneriert werden müssen. Das könnte beispielsweise durch ein verbessertes Wald-, Landwirtschafts- und Bodenmanagement erreicht werden. Aber auch Geoengineering – Technologien, um der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen und unterirdisch zu speichern – können eine wichtige Rolle spielen, so die Forscher. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1810141115)

(Stockholm Resilience Centre, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Australian National University, 07.08.2018 – NPO)

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