Das Wasser in Nord- und Ostsee wird immer wärmer. Dies belegen neue Ergebnisse eines deutsch-dänischen Forscherteams. Die Wissenschaftler haben in ihrer Studie die Temperaturdaten der letzten 140 Jahre der beiden Meeresgebiete analysiert und dabei einen Anstieg um 1,4 Grad im sommerlichen Oberflächenwasser seit 1985 nachgewiesen. Ursache: der Klimawandel.
Anchovis, Meerbarbe, vereinzelt sogar Schwertfisch – diese typischen Arten aus dem Mittelmeer oder dem Golf von Biskaya finden sich immer häufiger in den Netzen von Ostseefischern. Zufall oder Folge einer Erwärmung der Ostsee? Diese Frage stellten sich Forscher vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und von der Technischen Universität Dänemark (DTU) in Kopenhagen.
Insgesamt vier Messreihen dokumentieren die Temperaturen an der Wasseroberfläche in vier küstennahen Gebieten der Nord- und Ostsee: vor den Niederlanden (Marsdiep), vor Norwegen (Torungen) und Dänemark (Skagen in der Nordsee und Christiansoe in der Ostsee). Die Daten sind von 1861 beziehungsweise von 1880 an täglich von Feuerschiffen unter definierten Bedingungen erhoben worden.
Erstmals Langzeitdaten ausgewertet
„In der Fachwelt wusste man, dass solche belastbaren Langzeitdaten existieren“, sagt Doris Schiedek vom IOW, die zusammen mit ihrem Kollegen Professor Brian MacKenzie aus Kopenhagen im Fachblatt „Global Change Biology“ über die Studie berichtet. „Doch bis auf die holländische Messreihe hat sie noch niemand unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Klimawandels ausgewertet.“
Was erbrachte die Analyse der Daten? Sie offenbaren zum einen, dass bereits in den vergangenen Jahrzehnten Klimaschwankungen aufgetreten sind, mit einer warmen Periode um 1940 bis 1950. Seit Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts ist jedoch ein Anstieg der Wassertemperaturen, vor allem in den Sommermonaten, festzustellen, der nach Auskunft von Schiedek alles übertreffe, was bisher gemessen wurde.
Stärkerer Anstieg als vom IPCC prognostiziert
„In der Zeit von 1985 bis 2000 ist der Mittelwert der Wassertemperatur in den Monaten Juli bis September um insgesamt 1,4 Grad gestiegen.“ Damit ist der Anstieg dreimal so hoch wie die vom UNO-Klimabericht prognostizierte globale Erwärmungsrate von 0,03 Grad pro Jahr.
Schiedek: „Auch der UNO-Klimarat hat darauf hingewiesen, dass Europa sich schneller erwärmt als die Erde als Gesamtheit und dass sich der Temperaturanstieg in den letzten zwölf Jahren beschleunigte. Unsere Ergebnisse korrespondieren also mit diesen Einschätzungen.“ Die Auswertungen der Langzeitdaten aus Nord- und Ostsee zeigten nach den Worten von Schiedek neben dem ausgeprägten Temperaturanstieg, auch die Zunahme extrem warmer Sommer und ebenso extrem milder Winter.
Einwanderer aus wärmeren Gefilden
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Was bedeutet die Erwärmung nun aber für das Leben in der Ostsee? Ein Anstieg der mittleren Wassertemperatur von 1,4 Grad im Sommer mutet zunächst nicht sehr dramatisch an, sagt Schiedek. Doch viele Lebewesen seien nun einmal an kältere Temperaturen angepasst. Mit dem Temperaturanstieg kämen diese Arten an ihre Anpassungsgrenze. Eine Rolle spielen zudem der geringe Salzgehalt der Ostsee und nach wie vor auch der Eintrag von Schadstoffen.
Bei einem weiteren Temperaturanstieg – der Weltklimarat prognostiziert ihn für die nächsten 100 Jahre mit bis zu sechs Grad – rechnen Biologen mit einer deutlich veränderten Artenzusammensetzung in der Ostsee. Dafür spricht nach Ansicht von Schiedek schon jetzt die Zunahme von Fischen aus wärmeren Gefilden im Fang.
(idw – Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, 20.11.2007 – DLO)