Die steigenden Kohlendioxidkonzentrationen heizen nicht nur das Klima der Erde an, sie dünnen auch die Atmosphäre aus: Eine neue, jetzt in den „Geophysical Research Letters“ erschienene Studie, hat ergeben, dass bis zum Jahr 2017 die Dichte der äußeren Atmosphärenschicht um rund drei Prozent abnehmen wird. Konsequenzen hat dies unter anderem auch für die Satelliten in den niedrigen Umlaufbahnen.
„Wir sehen wie sich der Klimawandel sowohl in der unteren als auch in der oberen Atmosphäre manifestiert“, erklärt Stan Solomon vom National Center for Atmospheric Research (NCAR) der USA. Das zeigt die weit reichenden Auswirkungen der Treibhausgasemissionen.“ Gemeinsam mit Liying Qian und Ray Roble sowie Kollegen der Pennsylvania State University untersuchten die Forscher, wie sich die obere Atmosphäre im Laufe der nächsten Jahrzehnte verändern wird.
Mehr Treibhausgas, kühlere Thermosphäre
Die Thermosphäre, die Atmosphärenschicht, die rund 95 Kilometer über der Erdoberfläche beginnt und bis knapp 650 Kilometer hinaufreicht, wird allmählich dünner. Das haben jüngste Beobachtungen von Wissenschaftlern, die die Satellitenbahnen überwachen, gezeigt. Vorhergesagt wurde eine solche Entwicklung schon 1989 von den Forschern Roble and Robert Dickinson. Sie gingen davon aus, dass die steigenden CO2-Konzentrationen die Thermosphäre abkühlen und ihre Dichte dadurch sinkt.
Dieses scheinbare Paradox – das Treibhausgas CO2 als Kühlmittel – tritt auf, weil die Atmosphäre mit steigender Höhe immer dünner wird. In der dichten Luft nahe dem Erdboden absorbieren die Kohlendioxidmoleküle zunächst die von der Erde abgestrahlte Wärme, geben sie dann aber, ausgelöst durch Kollisionen mit anderen Gasteilchen, schnell an diese und die umgebende Luft wieder ab. In der sehr viel dünneren Thermosphäre dagegen kehrt sich dieser Prozess um: In Kollisionen mit anderen Teilchen gibt das CO2 nicht Wärme ab, sondern nimmt sie auf und entzieht dadurch anderen Molekülen die gespeicherte Energie. Anschließend strahlt es die so „gestohlene“ Wärme in den Weltraum ab. Das Ergebnis: Es wird kühler. Da dadurch die Thermosphäre etwas nach unten absinkt, sinkt auch die Dichte in einer gegebenen Höhe.
Einfluss durch Sonnenaktivität
Zum ersten Mal haben jetzt Forscher diese Entwicklung analysiert und untersucht, ob sich dieser Trend in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen wird. Besonderes Augenmerk hatten die Wissenschaftler dabei auf den elf-jährigen Zyklus der Sonnenaktivität. Denn auch er, soviel war schon bekannt, beeinflusst die Thermosphäre. Während der Zeit hoher Sonnenaktivität nimmt die Einstrahlung von UV-Licht und energiereichen Partikeln in die Atmosphäre zu. Dadurch erwärmt sich die Thermosphäre und dehnt sich aus. Umgekehrt kühlt sie ab, wenn die Sonnenaktivität abnimmt.
Abkühlungstrend hält an
Um herauszufinden, wie Treibhausgase und Sonnenzyklus interagieren, entwickelten die Wissenschaftler ein Computermodell der oberen Atmosphäre, das beide Faktoren mit einbezieht. Die Prognosen zeigten, dass die Dichte der Thermosphäre trotz eines relativ stark ausgeprägten solaren Zyklus innerhalb der nächsten Dekade weiter absinken wird. Während eines solaren Minimums beschleunigt sich diese Abnahme sogar um das Drei- bis Vierfache gegenüber dem solaren Maximum.
Für die Raumfahrtindustrie sind solche Prognosen von entscheidender Bedeutung. Denn viele Satelliten, aber auch die Internationale Raumstation ISS und das Hubble Weltraumteleskop, folgen einer Umlaufbahn im niedrigen Erdorbit, in Höhen bis rund 380 Kilometer. Um sie in ihrer Bahn zu halten, müssen hin und wieder Kurskorrekturen vorgenommen werden, da sie sonst durch die Reibungskräfte der oberen Atmosphäre an Geschwindigkeit und damit auch an Höhe verlieren. Sinkt die Dichte der Thermosphäre, sinkt damit auch die Reibung und die Kurskorrekturen müssen entsprechend angepasst werden.
(National Center for Atmospheric Research (NCAR), 13.12.2006 – NPO)