Entladungen sogar am Nordpol: Obwohl Gewitter und Blitze normalerweise eher in warmen Gefilden vorkommen, blitzt es inzwischen auch in der hohen Arktis immer häufiger. Die Zahl der Blitze im hohen Norden hat sich innerhalb weniger Jahre deutlich erhöht, wie die Auswertung globaler Blitzmessdaten nahelegt. Nach Ansicht der Forscher könnte dies mit der Erwärmung der Arktis und dem Klimawandel zusammenhängen.
Blitze sind die stärksten Entladungen der Atmosphäre, sie können bis zu einer Milliarde Volt erreichen und sogar Antimaterie erzeugen. Typischerweise häufen sich Gewitter und damit auch Blitze in den Tropen, weil dort besonders viel warmfeuchte Luft aufsteigt und sich Ladungsunterschiede in den Wolken bilden. Bei uns blitzt es deswegen am häufigsten im Sommer. Allerdings gibt es seltsamerweise auch besonders starke Blitze, die im Winter über dem Meer auftreten.
Blitze fast bis zum Nordpol
Ein weiteres merkwürdiges Phänomen haben nun Forscher um Robert Holzworth von der University of Washington in Seattle beobachtet. Für ihre Studie hatten sie Daten des weltweiten Blitzmessnetzwerks WWLLN ausgewertet. Sie wollten genauer wissen, wie oft es in der sommerlichen Arktis blitzt – einer Region, die eigentlich eher als blitzarm gilt – und ob sich die Blitzhäufigkeit dort im Laufe der Zeit verändert hat.
Auslöser dafür waren Berichte von Blitzeinschlägen, die sich im Jahr 2019 nur gut 50 Kilometer vom Nordpol entfernt ereigneten und damit so weit nördlich wie noch nie zuvor beobachtet. Hinzu kommt die Beobachtung, dass sich in der Tundra der hohen Arktis inzwischen immer häufiger anhaltende Brände entzünden. Weil sich die Zahl der Blitzdetektoren und die Sensitivität der Messnetzwerke im Laufe der Zeit erhöht hat, musste die Forscher dies berücksichtigen, um die tatsächliche Entwicklung der arktischen Blitze ermitteln zu können.
Blitze im hohen Norden haben zugenommen
Das Ergebnis: Die Zahl der Blitze jenseits des 65. Breitengrads hat sich von rund 35.000 im Jahr 2010 auf fast 250.000 im Jahr 2020 erhöht, wie Holzworth und sein Team berichten. Der größte Teil dieser Blitze ereignete sich im hohen Norden Sibiriens, während es in Kanada und Alaska deutlich seltener blitzte. „Das hängt vermutlich damit zusammen, dass das Festland in Kanada kaum über 70. Grad Nord hinausreicht, während in Russland beträchtliche Landmassen bis zum 77. Breitengrad vorstoßen“, erklären die Forscher.
Diese Zunahme der Blitze bleibe auch bestehen, wenn man die gestiegene Sensitivität der Messnetze abrechne. Die Analysen bestätigen zudem, dass es inzwischen selbst in der Nähe des Nordpols häufiger Entladungen gibt: „Unsere WWLLN-Daten belegen unter anderem 32 gut verortete Blitze, die sich an einem einzigen Tag, dem 13. August 2019, im Umkreis von 100 Kilometern um den Nordpol entluden“, so Holzworth und sein Team.
Linearer Zusammenhang mit der Erwärmung
Doch was ist die Ursache für diese zunehmende Blitztätigkeit im hohen Norden? Um das herauszufinden, verglichen die Wissenschaftler die Entwicklung der Sommertemperaturen in der hohen Arktis mit der jährlichen Blitzhäufigkeit in diesen Monaten. Es zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang: Wenn der hohe Norden einen besonders warmen Sommer erlebte, stiegen auch die Blitzzahlen.
Dabei ergibt sich ein fast linearer Zusammenhang, wie die Forscher ermittelten: „Der Anteil der Blitze in hohen Breiten steigt für jede Erhöhung der Sommertemperaturen um 0,3 Grad um den Faktor drei“, berichten sie. Ihrer Ansicht nach ist dies ein klares Indiz dafür, dass die globale Erwärmung auch die Blitzhäufigkeit in der Arktis beeinflusst. Das wiederum führt in Kombination mit weniger Schnee und mehr Trockenheit zu vermehrten Bränden.
Nach Meinung von Holzworth und seinen Kollegen ist der Trend zu mehr arktischen Blitzen damit ein deutliches Symptom des Klimawandels. „Ausgehend von diesen Zahlen können wir spekulieren, dass sich bei Erreichen einer Erwärmung um 1,5 Grad der Anteil der arktischen Blitze um 61 Prozent gegenüber heute erhöhen wird“, schreiben sie.
Weitere Überprüfung nötig
Ob dieser Zusammenhand wirklich so eindeutig ist, ist allerdings umstritten, denn andere Studien haben bislang keine so klare Tendenz feststellen können. Das liegt auch daran, dass die Schwankungsbreite zwischen den Jahren relativ groß ist und es noch andere Einflüsse auf die Gewitter- und Blitzhäufigkeit gibt. So kann beispielsweise auch der Einfluss der Sonne die globale Blitzhäufigkeit erhöhen.
Die Schlussfolgerungen von Holzworth und seinem Team müssen daher mit weiteren Daten auch von anderen Messnetzwerken überprüft werden. Dennoch halten auch andere Forscher den Zusammenhang von arktischen Blitzen und der Erwärmung für durchaus plausibel. (Geophysical Research Letters, ESSOAr Preprint, 2020; doi: 10.1002/essoar.10504658.1)
Quelle: Earth and Space Science Open Archive, Nature News