Unsere heutigen Klimasünden werden unseren Nachfahren in hunderten Jahren noch nasse Füße bescheren. Denn für jedes Grad Erwärmung mehr wird der Meeresspiegel in den nächsten 2.000 Jahren um gut zwei Meter ansteigen. Das zeigt eine neue Modellrechnung von Klimaforschern. Denn der Anstieg der Pegel beginnt jetzt erst langsam, wird sich aber in Zukunft stark beschleunigen. Hauptquellen des zusätzlichen Wassers sind dann nicht mehr die Berggletscher, sondern das Eis Grönlands und der Antarktis, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
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„CO2, einmal durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt, verbleibt entsetzlich lange in der Atmosphäre“, sagt Anders Levermann, Leitautor der Studie und Forschungsbereichsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Folglich bleibt die Erwärmung, die es verursacht, ebenfalls bestehen.“ Die Meere und Eisschichten reagieren nur langsam auf den Klimawandel, einfach aufgrund ihrer enormen Masse. Deshalb steigt der Meeresspiegel derzeit auch erst sehr allmählich – er wird noch in Millimetern pro Jahr gemessen. Im gesamten 20. Jahrhundert erhöhten sich die Pegel um rund 0,2 Meter und selbst die schlimmsten Zukunftsszenarien gehen von weniger als zwei Meter in diesem Jahrhundert aus.
Das aber wird sich in ferner Zukunft deutlich ändern. „Das Problem ist: Einmal aus dem Gleichgewicht gebracht, ist der Anstieg nicht mehr aufzuhalten – es sei denn, die Temperatur fällt“, sagt Levermann. Mit ihrer Studie wollten die Forscher herausfinden, bis zu welchem Punkt wir den Anstieg des Meeresspiegels durch unsere heutigen Handlung und den anthropogenen Klimawandel bringen. Sie unteruschten, wie sehr sich die kurzfristigen Veränderungen der Temperaturen auf die langfristige Reaktion der Ozeane auswirken.
2,30 Meter mehr für jedes Grad Erwärmung
Levermann und seine Kollegen prüften dies anhand von Computersimulationen und Daten zum Verhalten der Meere in der Erdgeschichte. Für letzteres analysierten sie Sedimentbohrkerne vom Meeresgrund und vergangene Uferlinien von verschiedenen Küsten weltweit. „Unsere Abschätzungen kombinieren physikalisches Verständnis mit Klimaarchivdaten – sie scheinen robust zu sein“, so die Forscher.
Das Ergebnis: Der Anstieg des Meeresspiegels wird sich in fernerer Zukunft stark verstärken. Jedes Grad mehr an Temperatur könnte dann den Pegel der Ozeane um 2,30 Meter erhöhen. Und auch die Quellen des zusätzlichen Wassers ändern sich: Während die Wärmeausdehnung des Meeres und das Abschmelzen von Gebirgsgletschern heute die wichtigsten Ursachen für einen Anstieg der Meere sind, wird sich dies in den nächsten 2.000 Jahren ändern. Langfristig werden die grönländischen und antarktischen Eisschilde zu den dominierenden Faktoren, so die Studie. Die Hälfte dieses Anstiegs wird vermutlich durch Eisverluste in der Antarktis verursacht werden, die gegenwärtig weniger als zehn Prozent zum globalen Meeresspiegelanstieg beiträgt.
Ohne Anpassung geht es nicht
Konkret bedeutet dies: Wenn die globale Durchschnittstemperatur um vier Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steigt, was in einem Business-as-usual-Szenario schon 2100 erreicht werden könnte, wird der antarktische Eisschild in den nächsten zwei Jahrtausenden etwa 50 Prozent des Meeresspiegelanstiegs beitragen, Grönland zusätzliche 25 Prozent. Die Wärmeausdehnung des Meerwassers, gegenwärtig der größte Anteil am Meeresspiegelanstieg, wird nur noch 20 Prozent beitragen und der Anteil von Berggletschern wird sich auf weniger als fünf Prozent beschränken, da viele von ihnen auf ein Minimum geschrumpft sein werden.
„Es wird eine Anpassung geben müssen“, sagt Levermann. „Fortwährender Meeresspiegelanstieg ist etwas, was wir nicht vermeiden können, wenn die globalen Temperaturen nicht zurückgehen. Gemessen in Legislaturperioden mag er zwar langsam sein, aber unausweichlich und somit wichtig für fast alles, was wir in Küstennähe bauen – und das noch für viele kommende Generationen.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2013; doi: 10.1073/pnas.1219414110)
(Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), 17.07.2013 – NPO)