Schlaflose Zukunft: Der Klimawandel beeinträchtigt zunehmend auch unseren Schlaf. Schon jetzt führen wärmere Nachttemperaturen vor allem im Sommer vermehrt zu Schlafstörungen, wie eine Studie aus den USA belegt. Bis zum Jahr 2050 könnte die Erwärmung jedoch Millionen von Menschen allein in Nordamerika schlaflose Nächte bereiten – und noch viel mehr in den ohnehin schon heißen und weniger wohlhabenden Ländern, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
Schlaf ist für unseren Körper und unser Gehirn überlebenswichtig. Doch immer mehr Menschen leiden unter Schlafstörungen und Schlafentzug. In Deutschland sind es einer aktuellen Studie nach sogar bis zu 80 Prozent aller Berufstätigen – Tendenz steigend. Die Ursachen dafür sind vielfältig, neben Lichtverschmutzung, Stress und Arbeit, können auch Lärm und Feinstaub dazu beitragen.
Warme Nächte und Schlafstörungen
Einen weiteren „Schlafkiller“ haben nun Nick Obradovich von der Harvard University in Cambridge und seine Kollegen identifiziert: den Klimawandel. Die Idee zur Studie lieferte eigene Erfahrung: Während einer Hitzewelle im Herbst 2015 konnte Obradovich tagelang kaum schlafen. Er wollte daher genauer wissen, wie eine vermehrte nächtliche Wärme sich auf Schlaf auswirkt und was das im Zuge des Klimawandels für die Zukunft bedeutet.
Für ihre Studie analysierten die Forscher Daten von 765.000 US-Bürgern, die zwischen 2002 und 2011 an einer großen Gesundheitsstudie teilgenommen hatten. In deren Rahmen waren sie auch gefragt worden, wann sie unter Schlafstörungen litten und in welcher Form. Diese Daten verglichen die Wissenschaftler mit den Temperaturdaten zu dieser Zeit am Wohnort der Teilnehmer.
Schon ein Grad mehr wirkt sich aus
Das Ergebnis bestätigt: Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen untypisch warmen Nachttemperaturen und schlechtem Schlaf. Schon eine um einen Grad über den Normalwerten erhöhte Temperatur führte zu durchschnittlich drei durchwachten Nächten pro Monat mehr pro 100 Personen, wie die Auswertungen ergaben. „Hochgerechnet auf die Population der USA ergibt dies rund 110 Millionen schlaflose Nächte mehr Jahr“, so Obradovich und seine Kollegen.
Die Folgen: „Zu wenig Schlaf kann einen Menschen anfälliger machen gegen Infektionen und chronische Krankheiten, aber auch seine Stimmung und seine geistigen Leistungen beinträchtigen“, erklärt Obradovich. Dieser Beitrag des Klimas zu Schlafstörungen sei daher keine Lappalie. „Diese Daten stimmen mit den zunehmenden Belegen für einen engen Zusammenhang von Temperatur, Klima und menschlicher Gesundheit überein“, so die Wissenschaftler.
Am stärksten bei armen, älteren Menschen
Besonders stark von diesem Klimaeffekt betroffen sind ältere Menschen und Menschen aus ärmeren Verhältnissen: Wer arm ist, leidet dreimal häufiger unter wärmebedingten Schlafstörungen als reiche Menschen, wie die Studie ergab. Naheliegender Grund: Reiche Menschen leben oft in den kühleren Außenbezirken der Städte und können sich leistungsstarke Klimaanlagen leisten.
Bei älteren Menschen führt eine Erhöhung der Nachttemperaturen rund doppelt so oft zu Schlafstörungen wie bei jüngeren. Trifft beides zusammen, verzehnfacht sich der schlafraubende Effekt des Klimas sogar noch.
Wie zu erwarten, sind die Auswirkungen anomal warmer Nächte im Sommer am stärksten: In dieser ohnehin heißen Jahreszeit führt dies zu dreimal mehr Schlafstörungen als im Herbst, Winter oder Frühling. Interessanterweise hat aber selbst in diesen kälteren Jahreszeiten eine Erwärmung einen schwachen negativen Effekt auf die Schlafqualität, wie die Forscher berichten.
Schlaflose Zukunft?
Was aber bedeutet dies für die Zukunft? Um das herauszufinden, haben die Forscher ihre Daten mit einem Klima-Prognosemodell für die USA verknüpft. Ausgehend vom bereits jetzt erkennbaren Zusammenhang konnten sie so voraussagen, wie viel Schlaf uns der Klimawandel im Jahr 2050 und 2099 rauben wird.
Das Ergebnis hier: Durch den Klimawandel werden sich die Nächte mit anomal hohen Temperaturen häufen – und das hat Folgen auch für unseren Schlaf: Bis 2050 könnten dadurch pro Monat und 100 Personen sechs schlaflose Nächte hinzukommen, bis 2099 sogar 14 Nächte ohne Schlaf, wie die Forscher berichten.
„Die USA hat dabei noch ein gemäßigtes Klima und ist wohlhabend“, betont Obradovich. Dadurch können sich die Einwohner durch Klimaanlagen noch recht gut gegen die Hitze wappnen. Doch in anderen Ländern sieht dies schon anders aus: „Man kann sich vorstellen, dass an Orten, die wärmer oder ärmer sind – oder sogar beides – viel schlimmer aussieht“, so der Forscher. (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1601555)
(University of California – San Diego, 29.05.2017 – NPO)