Geowissen

Klimawandel verändert Alpenböden

Neue Studie belegt schnelle Reaktion auf globale Erwärmung

Bodenentwicklung und Rückzug der Gletscher (blau) im Gletschervorfeld Morteratsch (Oberengadin) bis ins Jahr 2100. In den eisfrei werdenden Gebieten bilden sich relativ rasch neue, jedoch sehr flachgründige Böden. © Universität Zürich

Der Klimawandel wird Landschaft und Lebensräume drastisch verändern. Bis jetzt gingen Forscher jedoch davon aus, dass der Boden auf Klimaänderungen langsam reagiert. Neue Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universität Zürich zeigen hingegen, dass bereits innerhalb von wenigen Jahrzehnten sehr wohl klimabedingte Veränderungen im Boden nachgewiesen werden können. Schlussfolgerung: Der Klimawandel wird auch hier Spuren mit noch ungeahnten Folgen hinterlassen.

Die sich abzeichnenden Klimaänderungen hinterlassen sichtbare Spuren. Besonders gilt dies für das durch Schnee und Eis geprägte Hochgebirge. Klimaänderungen werden auch Auswirkungen auf den Boden haben. Aufgrund seiner natürlichen Eigenschaften als Puffer, Filter, Wasserspeicher und -regulator, Pflanzenstandort sowie als wichtiger Bestandteil der Landschaft hat der Boden im Naturraum eine zentrale Stellung. Das Innenleben des Bodens entzieht sich aber unserem direkten Blick.

Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass der Boden ein träge reagierendes Medium ist. Veränderungen zeichnen sich erst nach Jahrhunderten bis Jahrtausenden ab. Forscher der Universität Zürich sind der Frage nachgegangen, ob die Klimaänderungen bereits Auswirkungen auf Böden der Schweiz zeigen. Dazu wurden Standorte im Südtessin in der Umgebung des Lago Maggiore und im hochalpinen Raum des Gletschervorfeldes Morteratsch (Oberengadin) und Vereinatal (bei Klosters) untersucht.

Reaktion schneller als gedacht

„Unsere Studien zeigen ganz klar, dass Böden bereits innerhalb weniger Jahrzehnte auf veränderte Klimabedingungen reagieren können“, sagt Markus Egli von der Universität Zürich. Im Südtessin auf einer Höhenstufe unterhalb von 400 Metern über dem Meeresspiegel verbreiteten sich in den letzten vier bis fünf Jahrzehnten immergrüne, breitblättrige Laurophyllen-Gewächse, die zunehmend die gegenwärtige Waldgesellschaft verdrängen. Die Ausbreitung der Laurophyllengewächse, zu denen beispielsweise die Hanfpalme oder der Kirsch-Lorbeer zählen, führte zu Änderungen der Humuszusammensetzung und der Bodenmineralien.

Sich ausbreitende Hanfpalme im Südtessin. Die reduzierte Frosthäufigkeit begünstigt die Ausbreitung dieser Pflanzen sehr stark. © Remo Zanelli / Universität Zürich

Der Abbau der organischen Substanz verlief schneller und weniger Humus wurde im Boden fixiert. Nicht nur im Südtessin, sondern auch im hochalpinen Raum können Bodenveränderungen erfasst und sogar prognostiziert werden. Dies zeigt der Schlussbericht GISALP, der im Rahmen des Nationalen Schweizer Forschungsprogramms „Alpen“ soeben erschienen ist.

Während der kleinen Eiszeit in den 1850-er Jahren waren die heutigen Gletschervorfelder mit Eis bedeckt. Seitdem ist ein kontinuierliches Abschmelzen der Gletscher zu beobachten. In dieser relativ kurzen Zeit haben sich neue, so genannte flachgründige Böden in den eisfrei werdenden Gebieten gebildet. In den kommenden Jahrzehnten ist ein weiterer Rückzug der Gletscher und ein rasches Ausbreiten der Böden zu erwarten.

Mehr CO2 freigesetzt

Außerhalb der Gletschervorfelder fallen im Allgemeinen die Änderungen etwas weniger deutlich aus. Eine starke Erwärmung kann jedoch, wie die Ergebnisse aus dem Vereinatal zeigen, zu einem deutlichen Humusabbau, Absterben von Wurzeln und Rückgang der Pflanzenproduktivität führen. Dies bewirkt seinerseits eine verstärkte Freisetzung des Treibhausgases CO2.

Weil der Boden im gesamten Ökosystem eine zentrale Stelle einnimmt, wären Kenntnisse über dessen zukünftige Entwicklung von enormer Wichtigkeit. „Besonders im alpinen Raum sind die Grundlagen zu den Bodeneigenschaften und deren räumlichen Verbreitung jedoch extrem dürftig. Da besteht ein sehr großer Nachholbedarf um Entwicklungen und Folgen nur annähernd antizipieren zu können“, so der Bodenkundler Egli.

(Universität Zürich, 23.11.2007 – DLO)

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