Windiger Klimaeffekt: Der Klimawandel könnte die künftigen Erträge von Windanlagen beeinflussen. Den Prognosen von US-Forschern nach werden die Winderträge auf der Nordhalbkugel bis zum Jahr 2100 abnehmen, in Teilen der Südhalbkugel dagegen deutlich zunehmen. Ausgerechnet für Europa – die Region mit dem bisher größten Windkraft-Anteil – lieferten die Modelle jedoch keinen eindeutigen Trend, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.
Die Windenergie gilt neben der Solarenergie als eine wichtige Säule der weltweiten Energiewende. Nach Ansicht einiger Forscher könnte sie in Zukunft sogar genug Energie liefern, um den Bedarf der gesamten Menschheit zu decken. Schon jetzt ist der Ausbau im Gange: „Weltweit hat die installierte kumulative Leistung der Windenergie seit 2006 im Mittel um 22 Prozent pro Jahr zugenommen“, berichten Kristopher Karnauskas und seine Kollegen von der University of Colorado in Boulder.
Wie entwickeln sich die Winderträge bis 2100?
Doch wie wird der Klimawandel die Erträge der Windanlagen künftig beeinflussen? „Die Windfarmen werden meist unter der Annahme entworfen und gebaut, dass die Menge der aus dem Wind gewinnbaren Energie auch in Zukunft annähernd konstant bleiben wird“, so die Forscher. Messdaten deuten jedoch darauf hin, dass sich mit den Temperaturen auch die Windströmungen zu verändern beginnen.
Was dies für die Winderträge weltweit bedeuten könnte, haben nun Karnauskas und seine Kollegen mithilfe von zehn Klimamodellen ermittelt. Sie simulierten damit die Veränderungen bis zum Jahr 2100 bei einer Erwärmung um rund 2,5 oder um 4,8 Grad Celsius. Aus diesen Daten errechneten sie dann die möglichen Windkrafterträge der verschiedenen Regionen.
Abnahme im Norden…
Das Ergebnis zeigt eine überraschend gegenläufige Entwicklung: In den mittleren Breiten der Nordhalbkugel könnten die Winderträge gegen Ende des Jahrhunderts abnehmen, in den Tropen und auf der Südhalbkugel dagegen zunehmen. Besonders robust und ausgeprägt ist der Rückgang dabei unter anderem in Zentral- und Nordasien und in der Mitte der USA. Hier könnten die Winderträge bis 2100 je nach Szenario um 14 bis 18 Prozent zurückgehen.
Die Ursache für diesen Trend ist vor allem die Erwärmung der Arktis, wie die Forscher erklären. Weil die Polarregionen sich überproportional stark aufheizen, schwächt sich das Temperaturgefälle von den Tropen zur Arktis ab. Dadurch reduzieren sich auch die Luftdruckunterschiede und damit die Triebkräfte für die Winde. Dieser Prozess senkt die nutzbaren Winde vor allem im Winter, so die Forscher.
…mehr Winderträge im Süden
Auf der Südhalbkugel dagegen könnten einige Regionen sogar von einer starken Zunahme der nutzbaren Windenergie profitieren. So prognostizieren die Wissenschaftler für den Nordosten Australiens und den Osten Brasiliens einen Anstieg der Winderträge von 41 und 42 Prozent. Auch am Horn von Afrika und in Teilen Westafrikas nehmen die nutzbaren Winde in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts deutlich zu.
Der Mechanismus dahinter ist jedoch ein anderer als im Norden: Auf der Südhalbkugel führt der Klimawandel dazu, dass sich das Land stärker erwärmt als das Meer. Durch diesen verstärkten Gradienten weht auch der Wind zwischen Land und Meer häufiger und stärker, wie Karnauskas und seine Kollegen erklären.
Europa ohne klaren Trend
Unklar ist jedoch ausgerechnet der Trend für Europa – der Region mit dem heute größten Anteil an Windenergie: „Europa ist ein großes Fragezeichen“, räumt Karnauskas ein. „Wir haben keine Ahnung, was wir dort sehen werden, weil der Trend in dieser Region einfach zu unsicher ist.“ Einige ihrer Klimamodelle prognostizierten eine Abnahme der Winderträge, andere dagegen eine Zunahme.
Tatsächlich ergaben bereits frühere Studien, dass der Wind in Europa vor allem schwankender werden könnte: Phasen mit Flaute werden häufiger und länger, gleichzeitig mehren sich Stürme und stark wechselnde Windverhältnisse.
Was sind die Konsequenzen?
Was aber bedeutet dies für die Zukunft der Windenergie? Wie die Forscher selbst einräumen, sind ihre Daten für eine konkrete Planung künftiger Windparks noch viel zu grob – vor allem in komplexem Terrain. Denn wie viel Wind eine Anlage tatsächlich „ernten“ kann, ist stark vom Standort und seinen lokalen Gegebenheiten abhängig. Das für die Studie genutzte Raster von 100 Kilometern kann solche kleinräumigen Strukturen nicht abbilden.
Hinzu kommt, dass eine so langfristige Vorhersage der Winderträge nach Ansicht einiger Klimaexperten kaum verlässlich sein kann. „Ich bezweifle sehr, dass sich mit den heute verfügbaren Klimamodellen der Ertrag von Windkraftanlagen über mehr als 80 Jahre im Voraus berechnen lässt“, kommentiert Bruno Burger vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg.
Diese Schwachpunkte räumen auch Karnauskas und seine Kollegen ein. Ihrer Ansicht nach liefern ihre Ergebnisse aber zumindest Anhaltspunkte dafür, wo genauere, lokale Analysen der kommenden Windverhältnisse sinnvoll und nötig sein könnten. (Nature Geoscience, 2017; doi: 10.1038/s41561-017-0029-9)
(University of Colorado Boulder, 12.12.2017 – NPO)