Lehrmeinung widerlegt? Einige Kohlevorkommen könnten anders entstanden sein als gedacht, wie nun Isotopendaten enthüllen. Demnach fand die Umwandlung von vertorften Pflanzenresten in Kohle nicht rein geochemisch durch Hitze, Druck und Säuren statt, sondern unter Mithilfe von Mikroben. Diese spalteten Methylgruppen vom Torf ab und förderten so die Inkohlung, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Sollte sich dies bestätigen, müssen Lehrbücher möglicherweise umgeschrieben werden.
Der fossile Brennstoff Kohle hat seinen Ursprung in urzeitlichen Pflanzenresten, die vor Jahrmillionen abstarben und in sumpfigem Untergrund unter Mitwirkung anaerober Bakterien zunächst zu Torf wurden. Dann folgt die eigentliche Inkohlung: Unter dem Einfluss von Hitze, Druck und Säuren werden Zellulose, Lignine und Huminstoffe des Torfs allmählich in Kohle umgewandelt. Dabei nimmt der Kohlenstoffgehalt zu, während die für organische Verbindungen typischen Methoxylgruppen (-O-CH3) zunehmend abgespalten werden.
Gängiger Lehrmeinung nach läuft diese Umwandlung von Torf zu Braunkohle und Steinkohle rein geochemisch ab. Mikroben sind demnach nur an der Vertorfung der abgestorbenen Pflanzenreste beteiligt – so jedenfalls die Theorie.
Kohleproben im Isotopentest
Doch stimmt offenbar nicht immer, wie nun Max Lloyd vom California Institute of Technology und seine Kollegen herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten sie Proben von Holz, Torf sowie Braun- und Steinkohle verschiedener Abbaustätten auf ihren Gehalt an Methoxylgruppen und auf den Anteil des Kohlenstoffisotops 13C hin untersucht. Sie wollten damit herausfinden, ob bei der Inkohlung dieser Materialien vielleicht doch Bakterien mit im Spiel waren.
„Bisher ging man davon aus, dass die mikrobielle Modifikation des Pflanzenmaterials in der Natur mit der Torfbildung aufhört“, erklären Lloyd und seine Kollegen. Hintergrund dafür war die Annahme, dass Mikroben unter der Hitze und dem Druck der in die Tiefe absinkenden Schichten nicht überleben können. Aber inzwischen haben Laborversuche und die Ergebnisse von Tiefbohrungen belegt, dass Bakterien noch bis in mehrere Kilometer Tiefe vorkommen – als Teil der Tiefen Biosphäre.
Wenn Bakterien an der Inkohlung beteiligt wären, müsste sich dies an einer Anreicherung des Kohlenstoff-Isotops 13C ablesen lassen und an der Art und Weise, in der die Methoxylgruppen abgespalten wurden.
Werte passen nicht zu rein abiotischen Prozessen
Die Analysen ergaben: Einige der untersuchten Kohleproben waren in Bezug auf ihre Isotopenzusammensetzung mit der Kohlenstoffvariante 13C angereichert. Der Wert lag in diesen Fällen höher als er bei der klassischen hitzebedingten Inkohlung sein dürfte. „Die Isotopenzusammensetzung der verbliebenen Methoxylgruppen passt nicht zu einer thermisch aktivierten Reaktion“, konstatieren die Forscher.
Auch Inkohlungsprozesse durch Säure kommen nach Angaben der Wissenschaftler kaum in Frage, denn die betroffenen Braunkohleformationen in Japan und den USA wurden unter alkalischen Bedingungen gebildet. Andere, noch unbekannte abiotische Prozesse wären zwar theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich: „Es gibt keinen offensichtlichen Grund warum das 13C eines noch unentdeckten abiotischen Prozesses so systematisch zwischen den Proben variieren sollte“, erklären Lloyd und seine Kollegen.
Braunkohlebildung durch mikrobielle Helfer
Nach Ansicht der Forscher legen ihre Messdaten stattdessen eine andere Erklärung nahe: Diese Braunkohle muss biochemisch entstanden ein – unter Mitwirkung von Bakterien. „Unserer Ergebnisse sprechen dafür, dass die Abtrennung der Methoxylgruppen in diesen Proben auf einer mikrobiellen Reaktion beruht“, erklären sie. „Diese Mikroben bauten die Methoxylgruppen ab, wandelten das Material in Kohle um und erzeugten dabei Methan.“
Konkret vermuten sie, dass diese biogene Umwandlung in zwei Schritten ablief: Anfangs wurden die Methoxylgruppen noch von aeroben Bakterien enzymatisch abgebaut. Als dann die Schichten tiefer in den Untergrund absanken, folgte der weitere Methoxyl-Abbau unter anaeroben Bedingungen. „Dieses Szenario ist passt zum geologischen Kontext dieser Proben“, erläutern Lloyd und sein Team.
Inkohlung durch die tiefe Biosphäre
Das aber bedeutet: Zumindest in einigen Fällen könnte die Kohleentstehung anders abgelaufen sein als es die gängige Lehrmeinung besagt. Die Inkohlung fand dabei nach der Torfbildung nicht rein abiotisch statt, sondern auch biochemisch unter mikrobieller Mitwirkung. „Die Mikrobengemeinschaften der Tiefen Biosphäre trugen über geologische Zeiträume hinweg dazu bei, das Pflanzenmaterial in Kohle umzuwandeln“, konstatieren die Forscher.
„Unsere Ergebnisse erweitern die Bedingungen, unter denen Mikroorganismen humine Materialien in Braunkohle umwandeln, bis in Tiefen von zwei Kilometern und Temperaturen von 50 Grad“, schreiben die Forscher. Über Jahrmillionen hinweg entstand durch diese biochemischen Prozesse dann die Kohle. Sollte sich dieses Szenario bestätigen, dann könnte dies bedeuten, das Lehrbücher umgeschrieben werden müssen. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abg0241)
Quelle: Pennsylvania State University