Rasantes Tempo: Die CO2-Werte steigen zurzeit zehnmal schneller als je zuvor in den letzten 50.000 Jahren. Selbst während der abrupten Klimaumschwünge der Eiszeit nahmen die Kohlendioxidwerte nicht so rasant und stark zu wie heute, wie Analysen antarktischer Eisbohrkerne ergeben haben. Gleichzeitig enthüllt der Rückblick in die Eiszeit auch eine neue potenzielle Bedrohung für das Klima der nahen Zukunft. Denn die Verschiebung von Windzonen durch den Klimawandel könnte ein gigantisches CO2-Reservoir reaktivieren.
Auf dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit waren weite Teile der Nordhalbkugel von Gletschern bedeckt. Doch auch während der Eiszeit gab es immer wieder abrupte Klimaumschwünge, oft gekennzeichnet durch massive Eisberg-Freisetzungen im Nordatlantik und eine rasche, wenn auch oft kurzlebige Erwärmung. Parallel zu diesen Heinrich-Ereignissen kam es zu abrupten Zunahmen der Methan- und CO2-Gehalte in der Erdatmosphäre. Doch wie stark diese waren und in welchem Zeitraum sie sich ereigneten, war bisher unklar.
Abrupte Sprünge im CO2-Gehalt
Jetzt liefert ein Eisbohrkern aus der Antarktis mehr Aufschluss. Kathleen Wendt von der Oregon State University und ihre Kollegen analysierten dafür die Isotopen und Gasgehalte in 249 verschiedenen Schichten des 3,2 Kilometer in die Tiefe reichenden Bohrkerns aus dem Zentrum des Westantarktischen Eisschilds. Dies ermöglichte es ihnen, die Entwicklung der Atmosphärengase und des Klimas der letzten 50.000 Jahre und im Speziellen während der Klimaumschwünge der Eiszeit nachzuvollziehen.
Es zeigte sich: Während jedes eiszeitlichen Heinrich-Ereignisses gab es einen sprunghaften Anstieg der CO2-Werte. Der größte dieser CO2-Sprünge ereignete sich vor 39.500 Jahren während des Heinrich-Ereignisses 4 (HS4). Er erhöhte die atmosphärischen CO2-Werte innerhalb von nur 55 Jahren um 14 parts per million (ppm), wie das Team ermittelte. Fast genauso stark und schnell fiel der Sprung beim jüngsten Heinrich-Ereignis 1 vor rund 16.800 Jahren aus: Die Konzentrationen stiegen damals in 75 Jahren um zwölf ppm.
Zehnmal langsamer als heutiger Anstieg
„Diese Raten des CO2-Anstiegs sind die schnellsten im gesamten Eisbohrkern-Archiv“, berichten Wendt und ihre Kollegen. „Aber trotzdem sind diese natürlichen Ereignisse noch immer zehnmal langsamer als die aktuelle Rate des anthropogenen CO2-Anstiegs.“ Die Menschheit braucht gegenwärtig nur rund fünf bis sechs Jahre, um die CO2-Werte in der Atmosphäre um 14 ppm anzuheben. „Diese Anstiegsrate ist wirklich beispiellos“, betont Wendt.
Die Bohrkerndaten lieferten auch erste Hinweise darauf, wodurch die abrupten CO2-Sprünge während der Eiszeit verursacht wurden – und welche Folgen die Heinrich-Ereignisse damals hatten. „Die Eisbohrkerne enthüllen eine Abnahme des schwereren Kohlenstoff-Isotops 13C während der abrupten CO2-Sprünge der Heinrich-Ereignisse 1 und 4″, berichten die Forschenden. Dies deutet auf eine tiefergehende Veränderung im globalen Kohlenstoffkreislauf hin.
Stärkere Winde machen Südozan zur CO2-Schleuder
Aber welche? Ergänzende Analysen und Modellsimulationen ergaben, dass es während der Heinrich-Ereignisse wahrscheinlich eine Verlagerung der erdumspannenden Windbänder und Klimazonen gab. Dabei wurden die Westwinde auf der Südhalbkugel intensiver und verlagerten sich polwärts. „Dies verstärkt die Ventilation des Südozeans und führt zu einer schnellen CO2-Freisetzung aus den Tiefen des Ozeans“, erklärt das Team.
„Das Aufsteigen von wärmeren, CO2-reichen Wassermassen aus der Tiefe erklärt wiederum die Freisetzung von Wärme und 13C-armem CO2 aus dem Südozean in die Atmosphäre“, so Wendt und ihr Team weiter. Als Folge kommt es zu einem Klimaumschwung, der je nach Umständen auch globale Folgen nach sich ziehen kann. Auch das Ende der letzten Eiszeit könnte durch diese Kaskade von Ereignissen verursacht worden sein, wie Wissenschaftler schon vor längerem vermuteten.
Relevanz auch für die nahe Zukunft
Doch die Ergebnisse liefern nicht nur neue Einblicke in die Klimaumschwünge der Eiszeit – sie haben auch Relevanz für die heutige Klimaentwicklung. Denn Messdaten und Modellen zufolge bewirkt auch der gegenwärtig Klimawandel wieder eine Verlagerung und Intensivierung der Westwinde. Dies könnte erneut zu einer verstärkten Freisetzung von Treibhausgasen aus dem Südozean führen.
„Wir verlassen uns darauf, dass der Südozean einen Teil unserer CO2-Emissionen schluckt, sagt Wendt. „Aber die schnell zunehmenden Winde auf der Südhalbkugel schwächen seine Pufferfähigkeiten.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2319652121)
Quelle: Oregon State University