Katastrophe aufgedeckt: Vor rund 12.000 Jahren raste ein Komet über die Atacamawüste hinweg und explodierte knapp über dem Erdboden. Dieser „Airburst“ ließ Feuer und geschmolzenes Gestein auf die Wüste hinabregnen und erzeugte Tornado-ähnliche Winde, wie Forscher im Fachmagazin „Geology“ berichten. Indizien dafür sind unzählige bis zu 50 Zentimeter große Gesteinsglas-Stücke, die über 75 Kilometer der Wüstenlandschaft verteilt sind. Sie sind das erste Zeugnis einer solchen bodennahen Kometenexplosion.
Im Laufe ihrer Geschichte wurde die Erde schon unzählige Male von größeren und kleineren Brocken aus dem Weltraum getroffen. Meist handelte es sich dabei um Asteroiden oder ihre Bruchstücke, in einigen Fällen könnten die Impaktoren aber auch eisreiche Kometen gewesen sein. Sogar für den Einschlag, der vor rund 66 Millionen Jahren die Ära der Dinosaurier beendete, haben einige Forscher einen Kometen im Verdacht.
Das Problem jedoch: Weil Kometen nicht aus massivem Stein bestehen und eher staubigen Eisbrocken ähneln, bleibt von ihnen nach einem Einschlag oder einer Explosion knapp über der Erde meist nichts übrig. Erst im Jahr 2013 ist es Forschern erstmals gelungen, anhand der Mineralzusammensetzung eines winzigen Bröckchens Gesteinsglas, auf eine urzeitliche Kometenexplosion über der ägyptischen Wüste zu schließen.
Bis zu einem halben Meter große Glasbrocken
Relikte einer weiteren, deutlich jüngeren Kometenexplosion haben nun Forscher um Peter Schultz von der Brown University entdeckt. Es handelt sich dabei um grünlich und bräunlich gefärbte Stücke verglasten Gesteins, die in großer Menge über die Oberfläche der Atacamawüste nahe des Orts Pica in Nordchile verteilt sind. Die Streufläche mit den Glasstücken erstreckt sich über mehr als 75 Kilometer Länge, wie die Wissenschaftler berichten. Datierungen ergaben, dass das Ereignis, das dieses Gesteinsgläser schuf, rund 11.50 bis 12.300 Jahre zurückliegen muss.
Auffällig an dem Gesteinsglas sind aber vor allem die Größe und Form: Einige dieser unregelmäßigen Stücke sind bis zu einem halben Meter groß. „Viele Stücke haben zudem Formen, die auf ein Rutschen, Verwinden, Rollen oder Falten kurz vor ihrem Erstarren hindeuten“, berichten Schultz und seine Kollegen. Das geschmolzenen Gestein fiel demnach nicht einfach nur vom Himmel, sondern muss in hohem Tempo seitlich über die Oberfläche geblasen worden sein.
Bei hoher Temperatur geschmolzen
Um zu klären, worum es sich handelte, haben Schultz und sein Team 300 Proben des Atacama-Gesteinsglases von zwei 30 Kilometer auseinanderliegenden Stellen näher untersucht. Mittels Dünnschliffen sowie Elektronenstreuung und Elektronenmikroskop analysierten sie die Struktur und mineralogische Zusammensetzung der Glasproben.
Die Analysen enthüllten: Das Gestein, aus dem diese Glasbrocken entstanden, muss bei sehr hohen Temperaturen geschmolzen sein. Davon zeugen Zirkon-Einschlüsse, die teilweise in das Mineral Baddleyit umgewandelt waren – ein Prozess, der nur bei Temperaturen von mehr als 1.650 Grad stattfindet. Das Gesteinsglas aus der Gegend um Pica muss demnach bei einem Ereignis entstanden sein, das hohe Temperaturen erzeugte und dann das geschmolzene Gestein durch starke Winde oder Druckwellen durch die Gegend wirbelte und verformte.
Feuerball über der Wüste
Da es keine Vulkane in unmittelbarer Nähe des Streufelds gibt und normale Brände nicht heiß genug werden, könnte dies ein kosmisches Ereignis nahelegen: die Explosion eines Asteroiden oder Kometen. Diese Explosion muss sich allerdings in relativ geringer Höhe ereignet haben, so dass die intensive thermische Strahlung und die überschallschnelle Schockwelle die Erdoberfläche trafen, wie das Team erklärt.
„Dies ist das erste Mal, dass wir klare Belege für Gläser auf der Erde gefunden haben, die durch die thermische Strahlung und die Winde eines direkt über dem Boden explodierenden Feuerball entstanden sind“, sagt Schultz. „Um Spuren in einem so großen Gebiet zu hinterlassen, muss dies eine wirklich heftige Explosion gewesen sein. Verglichen damit sind die Feuerbälle, die wir manchmal als große Sternschnuppen am Himmel sehen, nur winzige Fünkchen.“
Minerale wie im Kometenstaub
Doch was für ein Objekt könnte vor rund 12.000 Jahren über der Atacama explodiert sein? Naheliegend wäre ein Asteroid, ähnlich wie beim Tunguska-Ereignis oder dem 2013 in Russland explodierten Tscheljabinsk-Meteor. Tatsächlich enthielten die Glasproben klare Hinweise auf einen kosmischen Ursprung: „Jede von uns untersuchte Probe enthielt tausende von exotischen Mineralkörnchen und Gesteinsfragmenten, die für die lokalen Sedimente völlig atypisch waren“, berichten die Forscher.
Die Mineralzusammensetzung der Glasproben entsprach aber nicht der typischer Meteoriten, wie die Wissenschaftler erklären. Stattdessen gleichen die Anteile von Mineralen wie Buchwaldit, Cubanit, Chlorapatit, Nickel-Troilit sowie Einschlüsse mit hohem Calcium- und Aluminium-Gehalt eher denen, die von Kometenstaub bekannt sind. Ganz ähnliche Minerale wurden in den Kometenstaub-Proben gefunden, die die NASA-Raumsonde „Stardust“ im Jahr 2006 vom Kometen Wild-2 zurückbrachte.
Bodennahe Explosion eines Kometen
„Diese Minerale verraten uns, dass dieses Objekt alle Merkmale eines Kometen besaß“, sagt Koautor Scott Harris vom Fernbank Science Center in Atlanta. „Diese Mineralogie nun in diesen Gesteinsgläsern zu finden ist ein starker Beleg dafür, dass wir hier tatsächlich das Ergebnis einer Kometen-Explosion sehen.“ Das glasige Streufeld in der Atacamawüste könnte damit das erste eindeutige Relikt eines kometaren Airbursts in Bodennähe sein.
Wie groß der explodierte Komet damals war, können auch die Forscher nicht sagen. Angesichts des großen Streufelds vermuten sie aber, dass es sich um ein größeres Objekt oder mehrere Bruchstücke eines solchen Boliden gehandelt haben muss. Der Feuerball der Explosion wäre sicher weithin sichtbar gewesen. „Es ist durchaus möglich, dass die ersten Ureinwohner, die ungefähr um diese Zeit diese Region erreichten, Zeuge dieses Ereignisses wurden“, sagt Schultz.
Es könnte noch mehr geben
Die Wissenschaftler hoffen, die Größe und den genauen Zeitpunkt der Kometenexplosion durch weitere Untersuchungen zu klären. Sie vermuten zudem, dass dieses Streufeld in der Atacama nicht das einzige Zeugnis eines explodierenden Kometen ist: „Es könnte dort draußen noch viele weitere solcher Explosionsspuren geben, aber bisher fehlte es an Beweisen dafür, dass es sich solche Airburst-Ereignisse handelte“, sagt Schultz.
Die aktuellen Ergebnisse könnten aber dazu beitragen, die Identifizierung solcher Impaktorte künftig zu erleichtern. (Geology, 2021; doi: 10.1130/G49426.1)
Quelle: Brown University