Frühe Warnung: Dem Pazifikraum könnte schon im nächsten Jahr ein neuer El Nino bevorstehen – mit nur zwei Jahren Abstand zum letzten. Indizien dafür liefert eine neue Vorhersagemethode, die subtile Temperaturveränderungen im Pazifikraum auswertet. Während herkömmliche Prognosen nur sechs Monate vorausschauen können, reicht diese Vorhersage rund ein Jahr in die Zukunft. Demnach besteht eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit für einen El Nino im Herbst 2020.
Das Klimaphänomen El Nino hat seinen Ursprung im Pazifik, aber Folgen für Wetter und Klima weltweit. Denn in Australien, Asien und dem Süden Afrikas häufen sich Trockenheit und Hitze, an der Westküste Nord- und Südamerikas kommt es dagegen zu Starkregen, Überschwemmungen und extremer Erosion. Ein starker El Nino heizt zudem das globale Klima an.
Ausgelöst wird der El Nino durch eine starke Abschwächung der Passatwinde, die zu einer Ansammlung warmen Wassers im äquatorialen Ostpazifik führt. Was allerdings den Zyklus der El Ninos bestimmt, ist erst in Teilen geklärt. Studien deuten jedoch darauf hin, dass dieses Klimaphänomen durch den Klimawandel stärker und teilweise auch häufiger wird. Die letzten El-Nino-Ereignisse gab es 2015/2016 und 2018/2019.
Subtile Verknüpfungen
Doch wann kommt der nächste? Eine Antwort darauf haben nun Forscher um Josef Ludescher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Sie haben eine Methode entwickelt, die El-Nino-Ereignisse früher vorhersagen kann als gängige Methoden. „Die konventionellen Methoden sind nicht zu einer verlässlichen El-Nino-Prognose mehr als sechs Monate im Voraus in der Lage“, sagt Koautor Armin Bunde von der Universität Gießen. „Mit unserer Methode haben wir die bisherige Vorwarnzeit in etwa verdoppelt.“
Kern der neuen Methode ist eine Netzwerk-Analyse der Lufttemperaturen im Pazifikraum. „Dieser Ansatz nutzt die Tatsache aus, dass es eine Verknüpfung zwischen dem El-Nino-Becken im äquatorialen Pazifik und dem Rest des pazifischen Ozeans gibt“, erklären die Forscher. Durch Analyse der Lufttemperaturen in diesen Gebieten lassen sich dadurch schon ein Jahr vor einem El-Nino-Ereignis Auffälligkeiten erkennen.
Konkret haben Ludescher und sein Team die Temperaturentwicklung von 14 Messpunkten im El-Nino-Kerngebiet und 193 Messpunkten außerhalb analysiert. Ihr Prognose-Algorithmus ermittelt anhand dieser Daten, ob eine bestimmte Schwelle überschritten wird und sich demnach ein El Nino anbahnt.
Neuer El Nino am Jahresende 2020
Das Ergebnis: Im September 2019 überschritten die Werte des Prognosenetzes die kritische Schwelle deutlich. „Das deutet auf eine Rückkehr des El Nino im Jahr 2020 hin“, berichten die Forscher. Sie schätzen, dass diese neue El-Nino-Phase im Herbst 2020 beginnen wird – es wäre damit schon die zweite innerhalb von zwei Jahren.
Auf Basis der Trefferquote ihrer Methode schätzen die Wissenschaftler die Wahrscheinlichkeit für einen El Nino im Jahr 2020 auf rund 80 Prozent ein. „Das ist ziemlich signifikant“, sagt Koautor Hans Joachim Schellnhuber vom PIK. Insgesamt lag die Trefferquote des Systems in den letzten Jahren bei acht von zehn Richtigen. Auch den El Nino des Jahres 2018 und ein Ausbleiben des El Nino 2019 hatte ihr System jeweils ein Jahr im Voraus korrekt vorhergesagt.
Intensität des El Nino ungewiss
Allerdings: Wie stark der kommende El Nino ausfallen wird – ob intensiv wie 2015/2016 oder eher schwach wie 2018/2019 – lässt sich mit dieser Methode nicht vorhersagen, wie Ludescher und seine Kollegen betonen. „Wir wissen daher nicht, ob dieser El Nino stark werden wird oder nicht.“ Das Team arbeitet aber bereits daran, den Algorithmus zu erweitern, um künftig auch Aussagen über die Stärke und Länge des Wetterphänomens treffen zu können.
Sollte es aber 2020 einen starken El Nino geben, dann könnte dies zu neuen Wärmerekorden für das globale Klima führen: „Ein durchschnittlicher El Nino erhöht die globale Klimaanomalie typischerweise um rund 0,1 Grad“, berichten Ludescher und sein Team. „Weil die Lufttemperatur der pazifischen Erwärmung um rund drei Monate hinterherhinkt, könnte ein starkes El-Nino-Ereignis Ende 2020 das Jahr 2021 zu einem neuen Rekordjahr machen.“ (arXiv:1910.14642)
Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Justus-Liebig-Universität Gießen