Unser Hunger nach Konsumgütern ist schuld daran, dass tausende von Kilometern entfernt die Artenvielfalt zerstört wird. Denn 30 Prozent aller weltweit bedrohten Tier- und Pflanzenarten sind als Folge des Welthandels bedroht. Das hat ein internationales Forscherteam errechnet. Allein Deutschland sei durch seine Importe und die damit verbundenen Lieferketten für die Gefährdung von 395 Arten weltweit verantwortlich. Es stehe damit nach den USA und Japan an dritter Stelle in der Rangliste der zerstörerischsten Importeure, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.
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Die Folgen des Konsumhungers trage vor allem die Natur in den Entwicklungsländern, sagen die Forscher. Am stärksten bedroht sei die Tier- und Pflanzenwelt in den Exportländern Papua Neuguinea, Madagaskar und Indonesien. Diese und andere wenig entwickelte Regionen haben meist einen großen Artenreichtum, gefährden ihn aber, indem sie Rohstoffe und Güter für andere produzieren. So ist beispielsweise der Klammerschwanzaffe Ateles geoffroyi in Mexiko und Mittelamerika stark bedoht, weil die ursprünglichen Wälder dieser Region zunehmend für Kaffee- und Kakaoplantagen abgeholzt werden, wie die Forscher berichten. Bestimmt sei der Kaffee und Kakao nicht für den örtlichen Konsum, sondern für den Export beispielsweise nach Europa oder in die USA.
Folgen reichen weit über die Ländergrenzen hinaus
„Unsere Ergebnisse zeigen klar, dass die lokale Artenvielfalt durch Märkte und Konsumentenwünsche in der ganzen Welt gefährdet wird“, schreiben Barney Foran von der University of Sydney in Australien und seine Kollegen. Früher hätten die Menschen vor allem in ihrem nahen Umfeld in die Natur eingegriffen – beispielsweise um Nahrung zu gewinnen oder ihre Siedlungen zu bauen. Heute, in der zunehmend globalisierten Welt, zerstöre der Konsumbedarf der Menschen aber auch Lebensräume weit entfernt von ihrem Wohnort.
„Bei vielen Industrieländern hinterlässt der Konsum von Kaffee, Tee, Zucker, Textilien und anderen Produkten seinen Biodiversitäts-Fußabdruck vor allem außerhalb des eigenen Landes“, erklären die Forscher. Als Biodiversitäts-Fußabdruck fassen sie zusammen, wie stark sich ein Produkt auf die Artenvielfalt auswirkt, beispielsweise durch die Zerstörung oder Verschmutzung von Lebensräumen. Bei Importländern wie Deutschland oder den USA lägen durchschnittlich 44 Prozent dieses Fußabdrucks außerhalb der eigenen Ländergrenzen.
Lokale Maßnahmen reichen nicht aus
Wolle man die Artenvielfalt schützen, dürfe man nicht nur die örtlichen Bedingungen berücksichtigen, warnen die Forscher. Stattdessen müsse man auch die Konsumenten und Handelszweige miteinbeziehen, die von der Zerstörung der dortigen Lebensräume profitieren. „Die Verantwortung von Produzenten und Konsumenten auseinanderzudividieren, ist allerdings alles andere als einfach“, räumen die Wissenschaftler ein. Sie schlagen beispielsweise vor, den Handel mit solchen Gütern einzuschränken, die die Artenvielfalt in ihren Ursprungsorten besonders schädigen.
Für ihre Studie hatten die Forscher die Handelswege von mehr als 15.000 Konsumgütern in 187 Ländern verfolgt. Die ökologischen Folgen bei der Produktion dieser Güter glichen sie mit 25.000 Einträgen in der Roten Liste der bedrohten Tierarten der International Union for Conservation of Nature (IUCN) ab. Insgesamt bewerteten sie die Auswirkungen von fünf Milliarden Lieferketten weltweit auf die Artenvielfalt. (doi:10.1038/nature11145).
(Nature, 08.06.2012 – NPO)