Vom Wasserplanet zum Land: Die ersten Kontinente der Erde könnten schon vor rund 3,2 Milliarden Jahren aus dem Urmeer aufgetaucht sein – weit früher als bislang gedacht. Indizien dafür haben Geologen in Gestein der indischen Kontinentwurzel entdeckt. Demnach hob und verdickte sich dieser Kraton schon damals soweit, dass er über die Meeresoberfläche hinausragte. Dieser Prozess lief jedoch noch rein magmatisch ab, ohne Einflüsse der klassischen Plattentektonik, wie das Team erklärt.
Am Anfang war unsere Erde wahrscheinlich ein Wasserplanet mit dünner ozeanischer Kruste und ohne größere Landmassen. Doch nach einiger Weile verdickte sich die Erdkruste an einigen Stellen und wurde zunehmend granitisch – die ersten kontinentalen Krustenteile entstanden. Wenig später hoben sich dann die ersten Landmassen aus dem Meer.
Wann tauchten die ersten Landmassen auf?
Doch wann all dies stattgefunden hat, ist umstritten. So legen Isotopendaten alter Gesteine nahe, dass sich die geochemischen Stoffkreisläufe vor rund 2,5 Milliarden Jahren drastisch wandelten – dies deutet auf eine Hebung der Kontinente zu jener Zeit hin. Es gibt aber auch mineralogische Daten, nach denen einige Krustenteile schon vor 3,7 Milliarden Jahren an der Luft und damit außerhalb des Meeres gelegen haben müssen. Unklar ist zudem, wann die Plattentektonik auf unserem Planeten einsetzte.
Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Priyadarshi Chowdhury von der australischen Monash University und seine Kollegen 2,8 bis 3,6 Milliarden Jahre alte Gesteinsproben aus dem Singhbhum-Kraton in Indien untersucht. Diese im Nordosten Indiens zutage tretende Grünstein-Formation ist eine der ältesten direkt zugänglichen Kontinentwurzeln. Über chemische Analysen und im Gestein enthaltene Zirkon-Kristalle ermittelte das Team, wann dieser Kraton zur Landmasse wurde und wie.
Frühe Verwitterungsspuren
Die Analysen bestätigten: Die Oberfläche des Singhbhum-Kratons muss schon vor rund 3,2 Milliarden Jahren der Luft ausgesetzt gewesen sein. Dafür sprechen unter anderem chemische Spuren der Verwitterung in den oberen Gesteinsschichten, die nur bei direktem Kontakt des Gesteins mit der Atmosphäre entstanden sein können. Zudem entdeckten die Forscher in den Randbereichen des Kratons Sedimentmuster und Zirkone, die aus einer urzeitlichen Küstenzone stammen.
„Dies demonstriert, dass stabile kontinentale Landmassen schon vor 3,3 bis 3,1 Milliarden Jahren begannen, sich über den Meeresspiegel zu heben – rund 700 Millionen Jahre früher als es die meisten Modelle vorhersagen“, konstatieren Chowdhury und seine Kollegen. Was diese Hebung auslöste, haben die Geologen mithilfe weiterer Gesteinsanalysen und einer ergänzenden geophysikalischen Modellierung herausgefunden.
Magmaaufstrom, Krustenverdickung und dann Hebung
Ihrem Szenario nach lief die Kontinentbildung folgendermaßen ab: Vor 3,5 bis 3,25 Milliarden Jahren stieg vermehrt Magma mit veränderter chemischer Zusammensetzung aus dem Erdmantel auf. Die Gesteinsschmelze enthielt Vorstufen granitischer Minerale, die sich zunehmend unten an die ursprüngliche Kruste anlagerten. Diese verdickte sich dadurch fortschreitend und der Druck in ihren unteren Bereichen stieg an. Dadurch entstanden neue, granitische Gesteinsarten.
Aus der Mineralogie und den Isotopen ihrer Gesteinsproben schließen die Geologen, dass sich die Kruste in diesem Gebiet vor 3,5 bis 3,24 Milliarden Jahren von etwa 32 auf rund 45 Kilometer verdickt haben muss. Damit hatte der Singhbhum-Kraton um diese Zeit sowohl die für Kontinente typische Krustendicke als auch die silikatreiche Zusammensetzung, wie Chowdhury und sein Team erklären.
Dann folgte der nächste Schritt: Weil kontinentale Kruste eine geringere Dichte hat als ozeanische, führte eine Kombination aus Dickenwachstum und isostatischer Hebung dazu, dass der Kraton allmählich immer weiter über die umgebenden Krustenteile hinausragte. Vor 3,2 bis 3,1 Milliarden Jahren schließlich hob er sich aus dem Wasser.
Kontinentbildung ohne Plattentektonik?
Nach Ansicht der Forschungsteams wirft dies ein neues Licht auf die Entstehung und Hebung der ersten Kontinente. „Dieses Szenario spricht dafür, dass das Auftauchen der ersten Kontinente auch ohne klassische Tektonik mit Kollision und Subduktion möglich war“, konstatieren die Geologen. Denn in der Geologie des Singhbhum-Kratons sind erste Anzeichen für solche tektonischen Prozesse erst später nachweisbar.
Die Umwandlung der Kruste von ozeanisch zu kontinental und ihre Verdickung fanden demnach abseits von Plattengrenzen und womöglich sogar vor dem ersten Einsetzen der Plattentektonik statt. Und der Singhbhum-Kraton war dabei kein Einzelfall: Indizien für dieses Szenario finden sich nach Angaben von Chowdhury und seine Kollegen auch bei Kratonen in Australien und Südafrika. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; doi: 10.1073/pnas.2105746118)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences