Dass sich Korallenriffe nicht nur auf die tropisch-warmen Gewässer beschränken, ist bereits seit einigen Jahren bekannt. Doch noch sind die ökologischen Bedingungen der so genannten Kaltwasserkorallen nur ansatzweise erforscht. Paläontologen der Universitität Erlangen-Nürnberg und das IFM Geomar starten nun gemeinsam eine Forschungsexpedition ins Nordmeer. Sie erhoffen sich neue Erkenntnisse über die Biodiversität, den Aufbau und die Bedrohung der Riffe am nördlichsten Rand ihrer geographischen Verbreitung.
Knapp elf Jahre ist es her, dass Wissenschaftler der Universität Erlangen um André Freiwald eine geradezu sensationelle Entdeckung machten: In den kalten, tiefen und dunklen Wassern des Nordatlantiks fanden sie Riffstrukturen, die bislang nur in den warmen und lichtdurchfluteten Flachwassermeeren der subtropisch-tropischen Klimazone zu finden waren. Vor allem die Steinkoralle Lophelia pertusa bildet Riffe bis in Tiefen von über 1.000 Metern. Doch wie können diese Tiere fernab jeglichen Lichts überleben und welche Artengemeinschaften tragen zur offensichtlichen Vielfalt der Riffe bei?
Um buchstäblich Licht in das Dunkel um die Riffe im Nordmeer zu bringen, sticht daher am 12.Juli 2005 ein Team aus Meeresbiologen und Paläontologen mit dem Forschungsschiff Poseidon in See. Mithilfe des Tauchbootes JAGO wollen die Forscher zu den nördlichsten Kaltwasser-Riffen auf dem Nordnorwegenschelf und in der südlichen Barents-See abtauchen. In internationaler Kooperation führen Wissenschaftler des Instituts für Paläontologie der Universität Erlangen-Nürnberg (IPAL), des IFM-GEOMAR sowie des Institute of Marine Research in Bergen/Norwegen die dreiwöchige Forschungsreise gemeinsam durch.
Riffe auf dem Sula-Rücken
Ziel der Forscher ist der nördlichste Teil eines Korallengürtels, der sich im lockeren Verbund vom iberischen Kontinentalhang bis nach Nordnorwegen erstreckt. Schon in den Jahren zuvor wurde am Sula-Rücken eines der imposantesten Korallenriffgebiete des Nordatlantiks untersucht. Auf dreizehn Kilometer Länge und 400 – 600 Meter Breite sind dutzende individuelle Rifflandschaften entwickelt. Das durchschnittlich 15 Meter hohe Riffgerüst ist inzwischen größtenteils sedimentverfüllt und liegt in einer Tiefe von „nur“ maximal 320 Metern. An anderen Stellen des Nordatlantiks können die Riffe durchaus in Tiefen von bis zu 1.500 Meter unter der Wasseroberfläche wachsen. Am Sula-Rücken jedoch fanden die Korallen in wesentlich geringerer Tiefe optimale Wachstumsbedingungen. Sie siedeln auf Geröllbarrikaden, die in den Eiszeiten bei wesentlich niedrigerem Meeresspiegel durch strandende Eisberge förmlich aufgeschoben wurden.