Libellen, Krebse, Tintenfische und Haie: Seit elf Jahren gräbt ein Team des Stuttgarter Naturkundemuseums systematisch im Nusplinger Plattenkalk erfolgreich nach Fossilien. Der Fossilienreichtum des Nusplinger Plattenkalks war schon im 19. Jahrhundert bekannt; als allergrößte Seltenheit kamen vor über 100 Jahren sogar einige Flugsaurier und das Meereskrokodil Geosaurus an das Tageslicht. Vor kurzem haben nun Stuttgarter Forscher ein weiteres fast vollständiges Exemplar dieser 150 Millionen Jahre alten Art entdeckt.
Die Sonne scheint heiß und unbarmherzig auf die rund achtzig Meter tiefe Lagune, und der Wind weht sacht über die tropische Südsee-Idylle. Gemächlich gleitet ein Geosaurus, ein Verwandter unserer heutigen Krokodile, durch das warme Wasser. Doch plötzlich schnellt ein dunkler Schatten durch die Lagune: Ein Dakosaurus, mit über sechs Metern Länge das wohl größte Krokodil der Lagune, greift den überraschten Geosaurus von hinten an und verletzt ihn mit seinen scharfen Zähnen am Schwanzende. Anschließend packt er den stark in seiner Beweglichkeit behinderten Geosaurus und zerreißt ihn mit einem gewaltigen Biss. Doch der hintere Körperabschnitt und der Schädel des Geosaurus sinken getrennt zum tiefen Meeresboden und entgehen dem Gefressenwerden…
So oder ähnlich könnte sie ausgesehen haben, die urzeitliche Jagdszene zwischen zwei Meereskrokodilen. Ganz anders gestaltet sich jedoch heute die Jagd nach den Überresten der 150 Millionen Jahre alten Knochen des Geosaurus. Schicht für Schicht durchforstet das Stuttgarter Grabungsteam um Dr. Günter Schweigert und Dr. Gerd Dietl den oberjurassischen Nusplinger Plattenkalk. Mittlerweile haben die Paläontologen auf diese Weise über 280 verschiedene versteinerte Tier- und Pflanzenarten aus den kalkigen Ablagerungen der einst tropischen Lagune mit ihren Schwamm-Mikrobenriffen geborgen. Fast schon Routine ist die Freilegung von rochenartigen Haifischen, Ammoniten, Riesenlibellen und Quastenflossern. Mehr als 8.000 Funde wurden auf diese Weise bereits im Steinbruch geborgen und sind in die Magazine des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart gewandert.
Aufregende Spurensuche
Mitte letzten Jahres bricht plötzlich Aufregung unter den erfahrenen Forschern aus: Der Torso eines zwei Meter langen Meereskrokodils kommt Stück für Stück ans Tageslicht. Möglicherweise ein Geosaurus? Die Meereskrokodile waren mit ihren flossenartigen Extremitäten perfekt an das Leben im Wasser angepasst. Doch der letzte Fund dieses kaum erforschten Reptils liegt in Nusplingen schon über 100 Jahre zurück. Die Paläontologen wissen um die Besonderheit der versteinerten Überreste und graben vorsichtig weiter.