Ferne Quellen: Winzige Einschlüsse von Kryptongas in Magma haben überraschende Einblicke in die Anfangszeit unseres Planeten geliefert. Denn sie verraten, dass die junge Erde in ihrer frühesten Wachstumsperiode auch flüchtiges Material aus dem äußeren Sonnensystem erhielt. Dies widerspricht der gängigen Theorie, dass die flüchtigen Elemente unseres Planeten größtenteils erst nach der mondbildenden Kollision vor 4,5 Milliarden Jahren eingetragen wurden.
Unser Planet wuchs wie seine Nachbarn durch ein allmähliches Zusammenballen von Staub und Gesteinsbrocken in der Urwolke heran. Doch vor rund 4,5 Milliarden Jahren kam es zu einer katastrophalen Kollision mit einem marsgroßen Protoplaneten, die den Mond schuf und bei der ein Großteil des irdischen Materials verdampft sein könnte. Weil die äußeren Erdschichten dadurch stark verändert wurden, ist strittig, welche flüchtigen Elemente unseres Planeten noch aus der Zeit vor der Katastrophe stammen und woher sie einst kamen.
Zeitkapsel aus der Anfangszeit der Erde
Neue Einblicke in die frühe Erdgeschichte liefern nun Lavaproben aus Island und von den Galapagosinseln, die Sandrine Péron von der University of California in Davis und ihre Kollegen untersucht haben. Die Vulkane auf diesen Inseln werden von Mantelplumes gespeist, die Magma aus den tiefsten Bereichen des unteren Erdmantels an die Oberfläche befördern. Das Gestein in dieser Tiefe könnte seit der Zeit vor der Mondkollision weitgehend unverändert geblieben sein.
Péron und ihr Team haben deshalb in dem vulkanische verglastem Basaltgestein beider Inseln nach Einschlüssen gesucht, in denen Elemente und Minerale aus dieser tiefen, urtümlichen Erdschicht konserviert sind. Im Speziellen ging es ihnen dabei um Isotope des Elements Krypton. Denn dieses Edelgas besitzt sechs stabile Isotope, deren Anteile Hinweise auf ihren Ursprung geben, wie das Team erklärt: Krypton aus dem Staub der solaren Urwolke hat einen höheren Anteil leichterer Isotope, während Krypton aus kohlenstoffreichen, chondritischen Asteroiden mehr schwere Isotope enthält.
Auf der Spur der Krypton-Isotope
Für ihre Studie entwickelten Péron und ihre Kollegen eine Methode, mit der sie das seltene Kryptongas aus den Einschlüssen isolieren, von den anderen Edelgasen Argon und Xenon trennen und auf ihr Isotopenverhältnis hin analysieren konnten. „Dies ist die erste Studie, die alle Krypton-Isotope aus dem Erdmantel präzise messen kann, darunter auch die extrem seltenen Isotope Kr-78 und Kr-80“, sagt Péron.
Das Ergebnis: Das Krypton aus dem unteren Erdmantel zeigte ein anderes Isotopenverhältnis als das in der Erdatmosphäre enthaltene Edelgas. Dies bestätigt, dass das heute in den oberen Erdschichten und der Atmosphäre zirkulierende Krypton nicht auf die Anfangszeit des Planeten zurückgeht. „Stattdessen wurde ein großer Teil der atmosphärischen Edelgase erst nach dem letzten großen Austausch von Gasen des Erdmantels mit der Atmosphäre eingetragen – nach der mondbildenden Kollision“, schreiben die Forschenden.
Unerwartetes Defizit
Überraschend jedoch war etwas anderes: „Unerwarteterweise weisen die Proben aus dem tiefen Erdmantel ein Defizit des schweren Isotops Krypton-89 auf“, berichten Péron und ihr Team. Das werfe ein neues Licht auf den Ursprung dieses ältesten, ursprünglichsten Gesteinsmaterials unseres Planeten. Denn der Mangel an Krypton-89 legt nahe, dass der Staub der Urwolke und Brocken aus dem inneren Sonnensystem nicht die einzigen Materialbringer der jungen Erde waren.
„Unsere Resultate erfordern, dass schon sehr früh in der Planetenbildung flüchtige Elemente aus noch weiteren Quellen geliefert wurden“, erklärt Péron. Der Vergleich der Isotopenanteile ergab, dass die Urerde schon als heranwachsender Protoplanet auch Material aus dem äußeren Sonnensystem aufgenommen haben muss. Noch während die Urwolke bestand und die Planeten heranwuchsen, gab es demnach einen Transport von Material vom Außenrand der Wolke nach innen.
Staub und Planetesimale von weit außen
Konkret könnten damals noch vor der Entstehung des Jupiter und der anderen äußeren Planeten eisreiche Staubkörnchen aus dem äußeren Sonnensystem nach innen gedriftet sein. „Zusätzlich wurden dann während der Bildung der Gasriesen und ihrer Wanderung mit flüchtigen Elementen angereicherte Planetesimale auf erdbahnkreuzende Orbits geschleudert“, erklärt das Team.
In jedem Falle stammt das tiefe, urtümlichste Reservoir von Krypton und anderen flüchtigen Elementen zumindest zum Teil auch aus Regionen weit jenseits der Erdumlaufbahn. „Damit liefert unsere Studie wichtige Hinweise auf die Quellen und das Timing für die Akkretion flüchtiger Elemente der jungen Erde“, sagt Péron. „Das hilft uns besser zu verstehen, wie unsere Ede entstand, aber auch andere Planeten im Sonnensystem und um andere Sterne“, sagt Péron. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-04092-z)
Quelle: University of California – Davis