Wenn ein Vulkan explodiert und seine Eruptionswolke in den Himmel jagt, kann diese in der Luft kollabieren, nach unten fallen und als alles vernichtende Lawine aus glühendem Gestein, Gasen und Asche die Hänge des Berges hinunterrasen. Vulkan-Experten von der Uni Würzburg wollen nun diesen so genannten pyroklastischen Strömen ihre Geheimnisse entlocken. Dazu simulieren sie die Glutlawinen in Experimenten, die sie zusammen mit italienischen Forschern durchführen.
Die Ströme sind mehrere hundert Grad Celsius heiß und können an die 250 Stundenkilometer schnell werden. Sie fegten zum Beispiel im Jahr 79 den Vesuv hinab und zerstörten Pompeji und andere Siedlungen. Seit 1944 verhält sich dieser Vulkan zwar ruhig. Doch sollte er wieder ausbrechen, droht höchste Gefahr – denn in seiner nächsten Umgebung, im Ballungsraum von Neapel, leben heute rund 1,2 Millionen Menschen.
In Italien überlegen die Katastrophenschützer darum, zumindest die Häuser im weiteren Umkreis des Vesuv so auszustatten, dass sie einem pyroklastischen Strom widerstehen können. Vorrangig Schulen und Kliniken sollten das sein, Häuser also, in denen möglichst viele Menschen Zuflucht finden können.
Allerdings weiß bislang niemand, welche Gewalt die Vulkan-Lawinen entfalten, welchen Druck die Bauten aushalten müssen. Hier kommen die Würzburger ins Spiel: Professor Bernd Zimanowski und sein Team sind dafür bekannt, dass sie in ihrem Physikalisch-Vulkanologischen Labor Eruptionen und andere vulkanische Vorgänge simulieren und analysieren. Darum wurden sie von der italienischen Zivilschutzbehörde, dem dortigen Nationalen Geophysik- und Vulkanologie-Institut sowie von Forschern der Universität Bari für ein gemeinsames Projekt angeworben.
Künstlicher Vulkan explodiert
Seit 2005 experimentieren die Wissenschaftler im Süden Italiens, bei der Gemeinde Spinazzola in Apulien, mit einer Art künstlichem Vulkan: Sie füllen eine Kanone mit bis zu 300 Kilogramm Vulkanasche vom Vesuv und feuern die Ladung mit genau festgelegter Abschussenergie bis zu 40 Meter hoch in die Luft. So entsteht eine Eruptionswolke im Kleinformat.
Mit dieser Anordnung lassen sich die wichtigsten Aspekte eines echten Vulkanausbruchs simulieren, wie die Wissenschaftler im April im Journal of Geophysical Research berichteten. Die Ablagerungen der künstlichen Eruptionswolke entsprechen denjenigen bei natürlichen Bedingungen. Auch die Größenordnung des Experiments reicht aus, um auf die Verhältnisse an echten Vulkanen hochrechnen zu können.
Die ersten Versuche erledigten die Forscher der Einfachheit halber mit kalter Vulkanasche. Bei einer echten Eruption aber ist das Material natürlich heiß. Um das zu simulieren, ist wesentlich mehr Aufwand nötig: „Die thermische Leitfähigkeit der Asche ist sehr schlecht. Wollte man 300 Kilo davon auf 300 Grad erhitzen, würde man dafür mehrere Tage brauchen“, erklärt Zimanowski. Darum reduzierten die Wissenschaftler ihr Experiment und verwendeten eine kleinere Kanone, die sie mit nur 30 Kilogramm heißer Asche befüllten. Eine solche Menge konnten sie in einem Elektroofen über Nacht aufheizen.
Erste „heiße“ Eruptionen
Nach den ersten „heißen Eruptionen“ steht fest, dass sich die Vulkan- Spezialisten das Aufheizen künftig wohl sparen können: „Was den Zeitpunkt des Kollapses der Eruptionswolke angeht, spielt die Temperatur keine Rolle, da waren die Verhältnisse wie bei den ersten Versuchen mit kalter Asche“, sagt Zimanowski. Jetzt müsse man noch auswerten, ob auch die Fließgeschwindigkeit des künstlichen pyroklastischen Stroms identisch ist.
„Falls ja, können wir unsere weiteren Experimente weniger aufwändig mit der kalten Asche machen“, so der Würzburger Forscher. Auf dem weiteren Arbeitsplan steht – voraussichtlich Anfang 2008 – die genaue physikalische Vermessung der künstlichen pyroklastischen Ströme. Mit Sensorfeldern, die im Umfeld der künstlichen Vulkane angelegt werden, sollen dann unter anderem Druck und Temperatur registriert werden.
„Daraus könnten sich erste direkt verwertbare Hinweise für die Zivilschutzbehörden ergeben“, so der Würzburger Professor. Im besten Fall kommt bei dem Projekt heraus, dass sich Gebäude bautechnisch gegen pyroklastische Ströme sichern lassen. Im Umfeld des Vesuv wäre dafür genug Bedarf.
(idw – Universität Würzburg, 12.06.2007 – DLO)