Doppelte Gefahr: In vielen küstennahen Millionenstädten weltweit senkt sich der Untergrund bedrohlich schnell ab – teilweise um mehrere Zentimeter pro Jahr, wie eine Satellitenmessung aufzeigt. Millionen Menschen sind dadurch stärker von Überflutungen bedroht als es der bloße Meeresspiegelanstieg nahelegt. Besonders stark betroffen sind Metropolen in Asien wie Jakarta, Taipeh und Mumbai, aber auch Tampa in Florida, Istanbul oder Auckland haben stark sinkende Stadtteile.
Die Küstenbereiche gehören zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Erde, gleichzeitig sind sie am stärksten von Überflutungen bedroht – auf gleich doppelte Weise. Denn neben dem Meeresspiegelanstieg gefährdet sie vielerorts eine starke Bodenabsenkung, die vor allem durch zu starke Grundwasserentnahmen verursacht wird. Zu den betroffenen Gebieten gehören viele Küsten Asiens, aber auch Kalifornien oder die US-Ostküste.
Mehr als ein Zentimeter jährlich
Welche küstennahen Städte aktuell besonders von der Landabsenkung betroffen sind, haben nun Pei-Chin Wu und seine Kollegen von der University of Rhode Island in den USA mithilfe von Satellitendaten ermittelt. Dafür werteten sie Daten des Interferometric Synthetic Aperture Radar (InSAR) auf dem europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-1 aus. Für 99 Küstenstädte weltweit analysierten sie zweimonatlich wiederholte Messungen der Untergrundhöhe aus der Zeit von 2015 bis 2020.
Das Ergebnis: „In 33 der 99 untersuchten Städte sinkt zumindest ein Teil der Fläche mehr als einen Zentimeter pro Jahr – das ist fünfmal schneller als der mittlere Anstieg des globalen Meeresspiegels“, berichten die Forscher. Der Meeresspiegel steigt bedingt durch den Klimawandel und die Eisschmelze zurzeit um gut drei Millimeter pro Jahr.
Die Landabsenkung in diesen Küstenstädten potenziert damit die Gefahr von Überschwemmungen: „Wenn die Landabsenkung weiter in diesem Maße anhält, werden diese Städte weit früher von Überflutung bedroht sein als es gängige Meeresspiegelmodelle prognostizieren“, schreibt das Team.
Millionenmetropolen Asiens betroffen
Am stärksten ist die Landabsenkung in einigen der dicht besiedelten Ballungsräume Asiens. So sinkt der Untergrund in Jakarta und Semarang in Indonesien, im chinesischen Tianjin oder in Chittagong in Bangladesch im Schnitt um mehr als drei Zentimeter im Jahr. Die maximale Rate der Absenkung erreichte an einigen Messpunkten jedoch bis zu 30 Zentimeter, wie die Forscher berichten.
Besonders gefährdet sind zudem mehr als 20 Metropolen, in denen große Teile der ohnehin weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel liegenden Stadtfläche in hohem Tempo absinken, darunter Shanghai, Bangkok, Hanoi und Tianjin. Allein in der Millionenmetropole Shanghai sind 1.700 Quadratkilometer tiefliegendes Gelände betroffen. Auch Mumbai, Heimat von gut 20 Millionen Menschen, sinkt stellenweise bis zu acht Zentimeter pro Jahr.
Aber auch westliche Ballungsräume
Aber auch in westlichen Industrieländern sind einige Küstenstädte akut von der Landabsenkung gefährdet: In der Tampa-Bay-Region in Florida sinkt ein rund 80 Quadratkilometer großes, tiefliegendes Gebiet um bis zu elf Zentimeter pro Jahr. In Istanbul ist ein am westlichen Stadtrand liegendes Gebiet von einer schnellen Absenkung betroffen. Im neuseeländischen Auckland sinken immerhin noch 80 Quadratkilometer tiefliegendes Gelände mit im Schnitt mehr als einem Zentmieter pro Jahr.
Millionen Menschen und einige der wichtigsten Wirtschaftszentren weltweit könnten demnach schon in naher Zukunft von Überflutungen bedroht sein, wenn keine Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, warnen die Wissenschaftler. Allein in den vier stark von Landabsenkung betroffenen Städten Chittagong, Karachi, Manila und Tianjin leben mehr als 59 Millionen Menschen.
Grundwasserentnahme ist Hauptursache
Als Hauptursache für die Landabsenkung sehen Wu und seine Kollegen vor allem den Menschen selbst: „Dieses globale Problem ist größtenteils eine Folge menschlichen Handels vor allem in Form von Grundwasserentnahmen“, erklären sie. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Absenkung oft dort besonders groß ist, wo für Industrieanlagen oder Wohngebiete besonders viel Wasser aus dem Boden entnommen wird. Dies destabilisiert den Untergrund und lässt ihn absinken.
Es gibt aber auch erste positive Nachrichten: Zumindest in einigen Ballungsräumen ist es bereits gelungen, die Bodenabsenkung zumindest zu bremsen. So waren die Senkungsraten in Jakarta und Schanghai vor rund 20 Jahren noch deutlich höher. Weil aber seither strengere Bestimmung für die Wasserentnahme gelten, hat sich die Rate seither verlangsamt. „Diese Beispiele zeigen, dass eine solche Regulierung ein effektives Werkzeug für das Stoppen der Subsidenz sein kann“, so die Forscher. (Geophysical Research Letters, 2022; doi: 10.1029/2022GL098477)
Quelle: Geophysical Research Letters