Eine periodisch auftretende Klimaschwankung könnte die entscheidende Rolle für die Entstehung von weltweiten Grippewellen spielen. Wissenschaftler haben festgestellt, dass die vier letzten großen Influenza-Pandemien jeweils wenige Monate nach einem ausgeprägten La Nina-Klimaphänomen auftraten. Diese Klimaschwankung geht mit anormal niedrigen Meerestemperaturen im äquatorialen Pazifik einher und verschiebt Klimamuster weltweit. Sie verursacht unter anderem ungewöhnlich starke Regenfälle in Südostasien und Australien und anhaltende Trockenheit in Südamerika.
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Die Pandemien von 1918, 1957, 1968 und die weltweite Ausbreitung der Schweinegrippe neuen Typs im Jahr 2009 seien alle unmittelbar nach einer La Nina-Phase in Erscheinung getreten, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Eine mögliche Ursache für den Zusammenhang von Influenza-Pandemien und dem La Nina-Phänomen sehen die Forscher in dem Einfluss des Klimas auf das Wanderungsverhalten von Vögeln. „Zugvögel, mit ihren langen Reisewegen und vielen Zwischenstopps, gelten als wichtige Helfer bei der Bildung neuer genetischer Stämme von Influenzaviren“, schreiben Jeffrey Shaman von der Columbia University in New York und Marc Lipsitch von der Harvard University in Boston.
Klima beeinflusst Virenübertragung durch Zugvögel
Zugvögel wie beispielsweise Wildgänse können Vogelgrippeviren auf Hausgeflügel oder sogar eine andere Tierart übertragen. Sind diese Tiere bereits mit einem anderen Virenstamm infiziert, können beide Virentypen Gene austauschen und so ihr Erbgut und damit auch ihre Eigenschaften verändern. Eine solche Rekombination von Genen kann dann ein Influenza-Virus hervorbringen, das nicht mehr nur Vögel, sondern auch den Menschen befallen kann. Die meisten Influenza-Pandemien sind nach gängiger Lehrmeinung durch diesen Mechanismus aus Vogelviren entstanden.
Nach Ansicht der Forscher könnte ein starkes La Nina-Phänomen die Bildung rekombinanter Virenstämme gefördert haben. „Es ist bekannt, dass die Klimaveränderungen durch La Nina das Verhalten von Zugvögeln verändern“, berichten sie. Vor allem in Südostasien verschöben viele Vögel dann beispielsweise ihre Zugwege und legten mehr und längere Pausen ein. Dies wiederum erhöhe das Risiko, dass sie andere Tiere und auch Haustiere mit den Influenzaviren infizierten.
Pandemien begannen in der ersten Jahreshälfte
Für ihre Studie ermittelten die Forscher zunächst die Ausbruchszeit der letzten vier großen Influenza-Pandemien. „Alle vier Pandemien traten jeweils in der ersten Jahreshälfte in der menschlichen Population auf“, berichten sie. 1918, 1957 und 2009 ereigneten sich die ersten Fälle im Februar und März, 1968 im Juli.
Daraufhin untersuchten die Wissenschaftler gezielt die Klimabedingungen, die im Pazifik im Winter und Herbst vor den Pandemien herrschten. Bei allen vier Ereignissen habe es in dieser Zeit einen starken La Nina im Pazifik gegeben. Die Oberflächentemperaturen des Meeres seien durchschnittlich um 0,7 Grad Celsius niedriger gewesen als normal.
Weitere Forschung nötig
„Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Bedingungen nur zufällig mit den Pandemieausbrüchen übereinstimmen, lag bei 6,9 Prozent“, berichten Shaman und Lipsitch. Es sei daher auf jeden Fall sinnvoll, weiter zu untersuchen, inwieweit das La Nina-Klimaphänomen tatsächlich ursächlich an der Entstehung großer Grippe-Pandemien beteiligt sei, meinen die Wissenschaftler. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2012; doi:10.1073/pnas.1107485109)
(Proceedings of the National Academy of Sciences / dapd, 17.01.2012 – NPO)