Am Anfang war das Feuer: Es befeuerte buchstäblich nicht nur den enormen technologischen Fortschritt des Menschen, sondern könnte auch die Kulturentwicklung unserer Vorfahren angefacht haben, sagt eine US-Forscherin. Geselligkeit im Feuerschein fördert ihr zufolge das Gemeinschaftswesen ganz besonders, wie sie bei Besuchen des Jäger- und Sammlervolkes der Buschleute beobachtete. Das gemeinsame Lagerfeuer besänftigt und stimuliert Menschen, ohne den täglichen Nahrungserwerb einzuschränken, schreibt die Wissenschaftlerin in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Einige Buschleute der Kalahari in Botswana und Namibia leben heute noch so, wie es für den Menschen während seiner Entwicklungsgeschichte typisch war: Die Jagd und das Sammeln von Nahrung bilden die Lebensgrundlage der kleinen Gemeinschaften der Buschleute. Auch das Feuer spielt bei ihnen noch eine buchstäblich zentrale Rolle: Abends versammeln sie sich meist in Gruppen von etwa 15 Leuten um ein Lagerfeuer zur gemütlichen Runde.
Tagsüber ernsthaft, abends entspannt
Über was sie sich im flackernden Feuerschein unterhalten, hat Polly Wiessner von der University of Utah gezielt untersucht. Für ihre Studie zeichnete sie bei Besuchen Gespräche der Buschleute während des Tages und während des abendlichen Beisammenseins auf. Übersetzter der faszinierenden Klicksprache der Buschleute lieferten Wiessner anschließend das Material für ihre Auswertungen.
Dabei stellte die Forscherin einen großen Unterschied zwischen Tagesgeschehen und abendlicher Gesellschaft fest: Tagsüber drehten sich drei Viertel der Gespräche um Themen der Nahrungsbeschaffung und um andere ökonomische Aspekte des Lebens der Buschleute. „Die Tages-Gespräche haben außerdem viel mit sozialer Kontrolle zu tun: Kritik, Beschwerden und Streitpunkte prägen die Konversationen“, berichtet Wiessner.
Feuerschein schafft Intimität
Ganz anders dagegen die Gespräche im abendlichen Feuerschein der Lagerfeuer: Sie entfernten sich von den Sorgen des Alltags. 81 Prozent der Zeit wurden hier Geschichten erzählt, gesungen, getanzt und man sprach über weit entfernt lebende Gruppen von Buschleuten. Außerdem waren Normen und Bräuche häufige Themen. „Die Atmosphäre eines Feuers in der Dunkelheit verbindet, besänftigt und stimuliert Menschen. Der Feuerschein schafft offenbar Intimität“, sagt Wiessner. „Da entspannt man sich und wünscht sich Frohsinn und Unterhaltung. Wenn es am Tag Konflikte gab, versöhnen sich die Beteiligten abends oft wieder“, so die Forscherin.
Viele anthropologische Studien haben sich vor allem auf die Vorteile des Kochens und auf andere praktische Aspekte des Feuers konzentriert. „Aber kaum jemand hat sich mit dem Einfluss der Tagesverlängerung durch das Licht des Feuers auf die soziokulturelle Entwicklung des Menschen befasst“, sagt Wiessner. Sie ist überzeugt: Der nächtliche Feuerschein erlaubte es den frühen Jäger- und Sammlergesellschaften entspannte Sozialkontakte zu pflegen, ohne dass dies zu Lasten des Nahrungserwerbs ging. Das könnte die Entwicklung der Kultur entscheidend gefördert haben, meint die Wissenschaftlerin.
(PNAS, 2014; doi: 10.1073/pnas.1404212111)
(P. Wiessner, PNAS, 23.09.2014 – MVI)