Bote aus der Tiefe: In einem Diamanten haben Forscher erstmals Körnchen eines Minerals entdeckt, das eine entscheidende Rolle für die Wärmeproduktion im unteren Erdmantel spielt. Es ist der erste Fund eines Hochdruck-Minerals aus dieser tiefen Erdschicht. Das „Davemaoit“ getaufte Calcium-Silikat-Perowskit reichert Uran, Thorium und radioaktives Kalium an und trägt damit zur inneren Hitze unseres Planeten bei. Weil es aber nur unterhalb von 660 Kilometer Tiefe stabil bleibt, konnte es bislang nie nachgewiesen werden.
Unter den extremen Bedingungen des tiefen Erdmantels bilden Minerale neue, an der Oberfläche unmögliche Gitterstrukturen. Der Druck von Millionen Atmosphären komprimiert ihre Bindungen und erzeugt kompakte und stabilere Kristallformen. In diesen können unter normalen Bedingungen inkompatible Elemente kombiniert sein. Vor allem Silikate in der unter Hochdruck gebildeten Perowskit-Konfiguration gelten als „Wirte“ für geochemisch wichtige Akteure wie radioaktives Uran, Thorium und Kalium sowie Seltenerdmetalle.
Das Problem jedoch: Vor allem die Minerale aus dem unteren Erdmantel sind nur unter den Druckbedingungen stabil, wie sie unterhalb von 660 Kilometer Tiefe herrschen. Sobald sie in höhere Schichten transportiert werden und der Druck absinkt, wandelt sich ihre Kristallstruktur in die normaler Niederdruckminerale um. Erst einmal ist es gelungen, ein solches Hochdruck-Mineral in der Natur nachzuweisen: In einem Meteoriten fanden sich Körnchen des Bridgmanit getauften Magnesium-Eisen-Silikat-Perowskits.
Entdeckung im Diamant
Jetzt aber haben Forscher das erste Hochdruck-Mineral entdeckt, das direkt aus dem unteren Erdmantel kommt – und das zur lange gesuchten Gruppe der Calcium-Silikat-Perowskite (CaSiO3) gehört. „Diese Calcium-Silikat-Perowskite sind die wahrscheinlich wichtigste Phase des unteren Erdmantels, weil sie Elemente konzentrieren, die im oberen Mantel inkompatibel sind, darunter auch die hitzeerzeugenden Elemente Uran und Thorium“, erklären Oliver Tschauner von der University of Nevada und seine Kollegen.
Bei der Entdeckung dieses Mantelminerals kam den Wissenschaftlern ein in den Tiefen des Erdmantels gebildeter Edelstein zu Hilfe – ein Diamant. Der grünliche Stein war schon vor Jahrzehnten in der Orapa-Mine in Botswana gefunden und in die USA verkauft worden. Doch erst jetzt haben Tschauner und sein Team sein Inneres unter anderem mithilfe der Röntgenstreuung näher untersucht.
Hochdruckform eines Calcium-Silikats
Die Analysen enthüllten mehrere Einschlüsse im Diamanten, in denen seltene Minerale enthalten waren. Darunter identifizierten die Forscher auch ein Calcium-Silikat, dessen Struktur laut Röntgendiffraktion dem eines kubischen Perowskits entsprach – und damit dem des lange gesuchten Mantelminerals. Das kompakte, stabile Kristallgitter des Diamanten hatte dafür gesorgt, dass dieses Hochdruck-Mineral stark genug komprimiert blieb, um eine Umlagerung in andere Kristallformen zu hindern.
„Damit vermelden wir die Entdeckung von Calcium-Silikat-Perowskit als neuem Mineral“, schreiben Tschauner und sein Team. Sie schätzen, dass diese Mineralkörnchen ursprünglich in weit mehr als 660 Kilometer Tiefe gebildet wurden. Als sie dann durch Konvektionsströmungen weiter nach oben gelangten, wurden sie vom Diamanten eingeschlossen, bevor sie zerfallen konnten. Die Forscher haben das zuvor unbenannte Mantelmineral „Davemaoit“ getauft – zu Ehren des für seine Hochdruckforschung bekannten Geophysikers Ho-kwang (Dave) Mao.
Einzigartiger „Bote“ aus dem unteren Erdmantel
„Davemaoit ist das bislang erste und einzige Hochdruck-Silikat, das direkt aus dem unteren Mantel stammt“, schreibt Yingwei Fei von der Carnegie Institution for Science in einem begleitenden Kommentar. „Zusammen mit dem 2014 entdeckten Bridgmanit bildet es den exklusiven Club der einzigen bislang in der Natur identifizierten Minerale des unteren Erdmantels.“ Damit bestätigen diese Funde auch die Annahme, dass der untere Erdmantel aus verschiedenen Mineralen aufgebaut ist.
Obwohl das Davemaoit nach Schätzungen der Geophysiker nur rund fünf bis sieben Prozent des unteren Erdmantels ausmacht, ist dieses Calcium-Silikat aber das einige, dass so bereitwillig Atome der Seltenerdmetalle sowie von radioaktivem Uran, Thorium und Kalium aufnimmt. Tschauner und sein Team bezeichnen das Davemaoit daher als eine Art „Müllsammler“ des unteren Erdmantels. Dadurch spielt es eine überproportional wichtige Rolle für die radioaktive Wärmeproduktion im tiefen Erdinneren.
Hoffnung auf weitere Funde
„Die Arbeit von Tschauner und seiner Kollegen weckt die Hoffnung, dass noch andere Hochdruck-Minerale in der Natur entdeckt werden können, entweder durch sorgfältige Suche in Diamanten mit tiefem Ursprung oder in hochgradig geschockten Meteoriten“, kommentiert Fei. Denn noch ist die Geochemie des unteren Erdmantels weitgehend unerforscht, seine Mineralzusammensetzung können Wissenschaftler bisher fast nur über Hochdruckexperimente und Modelle erforschen. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abl8568)
Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS)