Weder mit illegaler Müllentsorgung noch mit Übermut hat es zu tun, wenn Heinz-Detlef Kronfeldt und sein Team vor der bretonischen Atlantikküste Hightech über Bord werfen. Im Gegenteil. Die Forscher vom Optischen Institut der TU Berlin setzen sehr gezielt Gerät ab, um der chemischen Verschmutzung der Meere auf die Spur zu kommen.
In Zusammenarbeit mit Forschern aus sieben europäischen Ländern entwickelten sie im EU-Projekt MISPEC (Multiparametric in-situ Spectroscopic Measuring Platform for Coastal Monitoring) einen in situ Lasersensor, der mit Hilfe der so genannten oberflächen-verstärkten Raman-Streuung (SERS) chemische Verunreinigungen des Meerwassers direkt vor Ort nachweist – und zwar im Nanomol-Bereich.
Nach dem MARPOL-Umweltübereinkommen ist die Verklappung von Schadstoffen auf See seit 1973 international verboten. Doch die Einhaltung des Abkommens ist schwer zu kontrollieren. Denn die übliche Analyse von Wasserproben an Land dauert meist zu lange, um den Verursacher dingfest zu machen. Ein Nachweis in Echtzeit und gleich am Ort des Geschehens – in situ – ist deshalb von großem Nutzen.
In situ Nachweis möglich
Besonders wichtig ist der in situ Nachweis von organischen Schadstoffen im Meer. Der von den TU-Forschern entwickelte Sensor wurde speziell für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAHs) wie Naphtalin, Phenanthren, Fluoranthren und Pyren ausgelegt, die die Europäische Union als besonders gesundheitsgefährdend einstuft.
Kernstück des Sensors ist ein nur Stecknadelkopf großer Diodenlaser (Leistung 150 Milliwatt), der rotes Licht von 785 Nanometer Wellenlänge aussendet und vom Ferdinand-Braun Institut für Höchstfrequenztechnik entwickelt wurde. Der Detektor besteht aus einen Quarzsubstrat mit einer Sol-Gel-Schicht, in der sich Silberkolloide befinden. An seiner rauen Oberfläche werden im Meerwasser verteilte Chemikalien adsorbiert, die das Laserlicht streuen können. Über ein System aus Filtern, Spiegeln und Linsen wird das Licht innerhalb der Optode, der optischen Einheit, weitergeleitet und via Glasfaserkabel zum analysierenden Spektrometer (Core unit) übertragen. Das Streulicht ist wie der Fingerabdruck einer Substanz – ein einmaliges Peak-Muster, das sie verrät.
Seetauglichkeit des Sensors bereits nachgewiesen
Weitere Feldtests im Danziger Becken und dem stark verschmutzten Bosporus haben die Seetauglichkeit des Sensors eindrucksvoll bestätigt. Seine Aufgabe soll einmal die Überwachung von Küstenregionen, Flussmündungen, Wasserstraßen oder des Grundwassers sein. Neben stationären Messungen, etwa in Messbojen, sind auch Zugmessungen (im Schlepptau eines Schiffes), Tiefenprofile oder Tests direkt auf dem Meeresboden möglich. Denn, eingesetzt in einen stabilen Rahmen, kann der Sensor samt Spektrometer bis 300 Meter Tiefe abgesenkt werden. Zusätzliche Sensoren messen Druck, Temperatur, Salzgehalt und pH-Wert, so dass ein vollständiges Bild der chemischen und thermodynamischen Umgebung jedes Messpunktes entsteht.
Doch da sich das System grundsätzlich für Flüssigkeiten jeglicher Art (mit Raman-aktiven Stoffen) eignet, kann sich der Sensor auch bei der Prozess-Kontrolle in der Industrie nützlich machen – von Getränken bis hin zur Arzneimittel-Herstellung.
(idw – Technische Universität Berlin, 26.03.2004 – DLO)