Archäologie

Leichenhaus der Wikinger gibt Rätsel auf

In Mittelnorwegen entdeckte Leichenhalle stand einst inmitten eines Grabhügels

Wikinger-Leichenhaus
Archäologen bei der Ausgrabung der Wikinger-Leichenhalle - ungewöhnlich ist jedoch, wo dieses Totenhaus stand. © Raymond Sauvage/ NTNU University Museum

Rätselhafter Fund: In Norwegen haben Archäologen eine Leichenhalle der Wikinger entdeckt – schon dies ist eine Rarität. Doch dieses Leichenhaus steht noch dazu an einem ungewöhnlichen Ort: mitten in einem Grabhügel. Möglicherweise war damals auch im Haus selbst ein Toter begraben, wie die Forscher berichten. Warum die Wikinger dies taten und welchen Zweck dieses Totenhaus in diesem Falle diente, ist bisher rätselhaft.

Vor rund tausend Jahren dominierten die Wikinger weite Teile Europas und schickten ihre Schiffe sogar bis nach Grönland und Nordamerika. Von ihrer Präsenz zeugen heute noch Reste ihrer Siedlungen und Handelsplätze, aber auch Burgen und unzählige Wikingergräber. In einigen davon wurden hochrangige Wikingerkrieger in ihren Booten begraben, andere gleichen eher Hügelgräbern oder sind Teil ganzer Friedhöfe.

Ein Haus für die Toten

Jetzt haben Archäologen inmitten eines Gräberfelds der Wikinger einen seltenen Fund gemacht. Bei Ausgrabungen in Vinjeøra südlich der norwegischen Stadt Trondheim stießen sie auf die Überreste einer Wikinger-Leichenhalle. „Das ist ein rarer und aufregender Fund“, sagt Raymond Sauvage von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU). Denn bisher sind in ganz Norwegen erst 15 solcher Totenhäuser gefunden worden.

Die Leichenhalle war fünf Meter lang und drei Meter breit und besaß vier tragende Steinpfeiler in den Ecken des Hauses, wie die Archäologen berichten. Die Wände bestanden dagegen aus senkrecht stehenden Holzplanken, ähnlich wie bei den hölzernen Stabkirchen aus dem nordischen Mittelalter. Die Holzwände der Leichenhalle sind heute nicht mehr erhalten, aber Gräben zeigen noch, wo sie einst standen.

Inmitten eines Grabhügels

Bisher nahmen Archäologen an, dass diese Leichenhallen ganz praktischen Zwecken dienten: „Gängiger Annahme nach lagerten die Wikinger in diesen Häusern ihre Leichen, beispielsweise wenn sie darauf warten mussten, dass der Boden im Frühjahr weit genug auftaut“, erklärt Sauvage. Diese Totenhäuser galten daher bislang als rein funktionale Bauten.“

Doch dieses Leichenhaus passt nicht ins gängige Bild. Denn die Ausgrabungen enthüllten rund um das Gebäude Relikte eines ringförmigen Grabens. „Dieser Graben verrät uns, dass sich hier einst ein Grabhügel befand – und dass das Leichenhaus in der Mitte dieses Hügels lag“, berichtet Sauvage. „Das könnte bedeuten, dass in dieser Wikinger-Leichenhalle einst ein Toter begraben wurde.“ Bisher allerdings sind die Archäologen noch nicht bis zu diesem Grab vorgedrungen.

Rekonstruktion des Wikinger-Leichenhauses und seiner Lage im Grabhügel.© Gemini Forskning

Zweck rätselhaft

Aber warum bekam dieser tote Wikinger ein ganzes Haus mit ins Grab? Bisher ist diese Frage offen. Sauvage und sein Team spekulieren jedoch, dass dieses Haus möglicherweise eine ähnlich symbolische Bedeutung haben könnte wie die Boote, in denen manche Wikinger begraben wurden. „Das Boot wird interpretiert als das Gefährt, das den Verstorbenen in das Land der Toten bringen soll“, erklärt Sauvage. „Vielleicht ist das Totenhaus mit diesen Grabbooten vergleichbar.“

Rätselhaft ist dann allerdings, warum die Wikinger von Vinjeøra ihren Verstorbenen nicht auf die Reise in das Land der Toten schickten, sondern sie offenbar mit diesen Grabhaus zum Hierbleiben animieren wollten. Die Forscher vermuten, dass das Haus die Toten vielleicht davon abhalten sollte, umherzuwandern oder aber dass sie so dazu gebracht werden sollten, als Schutzgeister für ihre Familien in der Nähe zu bleiben.

Ausgrabungen gehen weiter

Die Archäologen hoffen, dass sie bei weiteren Ausgrabungen im Gräberfeld von Vinjeøra mehr Aufschluss über den Glauben und die Totenrituale dieser Wikinger erfahren. „Dies gibt uns eine einzigartige Chance mehr darüber zu lernen, wie die Wikinger mit dem Tod umgingen“, erklärt Sauvage. „Denn in diesem Gräberfeld gibt es eine große Spannbreite von Grabvarianten – von Bootsgräbern und Begräbnissen in Särgen bis hin zu dem Totenhaus. Es ist daher sehr spannend, dieses Spektrum weiter zu erforschen.“

Die Ausgrabungen laufen zurzeit weiter und sollen bis ins nächste Jahr hinein fortgesetzt werden. „Wenn wir alle Funde aus diesen Gräbern untersucht haben, wird uns dies sicher einen tieferen Einblick in die Gesellschaft geben, die hier im Wikingerzeitalter existierte“, sagt Sauvage.

Quelle: The Norwegian University of Science and Technology (NTNU)

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